Mittwoch, 8. August 2012

behind your eyes - Kapitel 8

Ich blieb wie angewurzelt stehen, bis Carver mit seiner Hayabusa neben mir anhielt und mich mit einem Arm umschlang, um mich auf die schwarze Verkleidung seiner Maschine zu ziehen. Sofort legte ich meine Arme um seinen Oberkörper. Als er anfuhr, festigte ich den Griff noch ein wenig mehr, aus Angst ich könnte hinunterfallen. Ich vertraute ihm, aber nicht blind in allem, was er tat. Erst als er das Motorrad zum Stehen brachte, lockerte ich meine Umarmung und hob mein Gesicht an, so dass ich ihm in seines zusehen vermag. Ein zufriedenes Grinsen lag auf seinen Lippen. Er liebte das Risiko, solange er es selber im Griff hatte, soviel war mir bereits aufgefallen. Ihm war es egal, ob andere Menschen Angst hatte, Hauptsache er war Herr über die Situation. 
»Brauchen wir wieder einen Krankenwagen?«, hauchte ich gerade so laut, das er meine Stimme durch die grölenden Motoren hören konnte. Kaum merklich schüttelte er seinen Kopf und lehnte seine Stirn an meine Schulter. 
»Egal was kommt, bleib am Start. Ich will dich nicht an der Ziellinie sehen, hast du mich verstanden?« In seiner Stimme war ein herrschender Ton, er wusste, was er wollte und scheute sich nicht davor irgendwen rumzukommandieren. Mein Körper spannte sich an, er war bewusst, was kommen würde, war jedoch nicht bereit es auszusprechen. Hastig fuhr sein Kopf hoch, sein eiskalter Blick lag auf mir. 
»Hast du mich verstanden, Alexa?«, fuhr er mich schärfer an. Sofort sah ich ihn an. Eingeschüchtert nickte ich und zwang mir ein kleinlautes ‚Ja‘ heraus um meine Antwort zu bestärken.

Augenblicklich schlang er seine Arme fester um mich und zog mich an sich. 

»Es ist nur zu deinem Besten«, raunte er in mein Ohr und küsste mich flüchtig am Hals. 
»Pass bitte auf dich auf«, flüsterte ich, drückte ihn noch mal an mich und ließ ihn dann los. Als sich sein Griff lockerte, stand ich auf und sah Eric entgegen, der neben uns anhielt. Carver umfasste mein Handgelenk und drehte mich wieder zu sich. Ohne ein Wort konnte ich sehen, was er wollte. Rasant legte ich eine Hand auf seine Wange und presste meine Lippen auf seine, während er seinen Griff löste, meine Hüfte fasste und mich auf seinen Schenkel zog. Auf der Stelle spürte ich, wie mich seine ruppige Art veranlasste, mich noch näher an ihn zu drücken. Er wusste, was er wollte und genau das gab mir den Rest. Von Mason war ich diese direkte Art nicht gewöhnt, im Gegenteil, manchmal hatte ich mir gewünscht, er würde etwas mehr aus sich rauskommen und zeigen, was er verlangte. Neben uns erklang ein Hupen, was Carver und mich auseinander fahren ließ. Zugleich blickten wir Blake entgegen, welcher auffordernd nickte. Augenblicklich entließ mich Carver aus seinem Arm und fasste den Helm an seinem Lenker, den er sich daraufhin überzog. Ich hingegen drehte mich zu Eric und machte die paar Schritte auf ihn zu. Auch er hatte seinen Helm bereits in der Hand. Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, mit den Worten ‚Fahr vorsichtig‘ ließ ich auch ihn zurück und reihte mich bei den anderen Zuschauern ein.

Zwei Frauen standen in der Mitte, sie waren genauso gekleidet, wie sich Lilly immer anzog. Möglichst wenig Stoff mit viel Haut, obwohl, wenn ich es recht bedachte, hatte Carver mich heute auch in so ähnliche Kleidung gedrückt. Völlig gelassen warteten sie darauf, dass alle Fahrer den Helm anhatten, und stellten sich in Startposition. Mir kam es vor, als würde die Startsequenz nicht so lange andauern, wie gestern. Alles ging schnell, die Bewegungen ihrer Arme waren fast synchron, die beiden machten dies sicher nicht zum ersten Mal. Kaum gelangten diese wieder in ihre Ausgangsposition hörte man das Aufheulen der Motoren, die fast auf den Moment zeitgleich auf ihr Maximum gezogen wurden. Die Maschinen bewegten sich vorwärts, zumindest in den ersten Sekunden, den eine blieb auf ihrem Platz. Der Vorderreifen fuhr hoch in die Luft, zu hoch und schon kippte das Motorrad nach hinten über. Bei dem Anblick erstarrte ich augenblicklich und beobachtete das Geschehen. Der Fahrer verlor den Halt unter dem Gewicht und fiel hintenüber auf den Boden. Als die Maschine laut auf den Grund knallte, schrak ich auf. Doch nachdem der Mann unter ihr wieder aufstand, atmete ich erleichtert aus. Hastig drehte ich mich in die Fahrrichtung. Die wenigen Sekunden hatten gereicht, um in der Dunkelheit nur noch die Rücklichter zu sehen, welche um eine Ecke bogen.

Augenblicklich rannten die Ersten los wahrscheinlich in Richtung Ziel. Ich versuchte aus der fast schon hysterischen Menge rauszukommen, um nicht mitgetrieben zu werden, doch genau in dem Moment umfasste jemand meine Hand und zog mich mit. Völlig perplex folgte ich dem Ruck und rannte mit in die Richtung, die die Masse stürmte. 

»Du willst doch nicht verpassen, wer gewinnt, oder?«, drang die Stimme des Mannes zu mir, der mich mitgezogen hatte. Ich schüttelte kurz meinen Kopf, um wieder klar zu werden und blieb abrupt stehen. Die Person hatte nicht damit gerechnet und wurde durch den Ruck ein Stück zurückgezogen. 
»Natürlich will ich am Start bleiben. Mir wurde gesagt ich soll dort warten«, herrschte ich den Unbekannten an und versuchte ihn zu identifizieren. Er trug keine Jacke der Scorpions, folglich musste er zu der anderen Gang gehören. 
»Und Blake hat mir aufgetragen, dich rüberzubringen. Da ich gerne auf die Prügel von meinem Chef verzichten kann, wird dir nichts anderes übrig bleiben, als meinen Anweisungen folge zuleisten. Und bei Gott, mir ist es reichlich egal, wer verlangt, dass du dort bleibst!« Okay, die Tonlage, die der Mann angeschlagen hatte, verriet mir, dass er mich unter allen Mitteln bis zum Ende schleppen würde, aber es änderte nichts daran, dass ich hier bleiben wollte. Nahezu hysterisch fing ich eine Antwort an: 
»Und mir ist es egal ...« Er unterbracht mich, als er seine Hand hob und mir seine Handfläche auf die Wange jagte. Geschockt starrte ich ihn an, hob lediglich meine Hand und bedeckte die brennende Stelle damit, während er schon an meinem Gelenk zerrte, um mich weiter hinter sich her zu schleifen.

Nach einem vermutlich zehnminutigen Laufen quer durch die Lagerhallen ließ mich der Kerl endlich los und stellte sich zu den anderen. Die Scheinwerfer der Motorräder drangen zu uns rüber und sorgten dafür, dass sich meine Gedanken überschlugen. Carver ermahnte mich, dass ich am Start bleiben sollte und jetzt stand ich doch hier. Mir blieb nicht mehr genug Zeit, um wieder zurückzulaufen, ganz davon abgesehen, dass ich mich in den Lagerhallen verlaufen würde. Ich hatte mir die ganzen Abzweigungen nicht gemerkt. Die Lichter wurden immer größer, mit jedem Meter, den sie näher kamen, stieg eine Angst durch meinen Körper, die mich zittern ließ. Ich wusste, wie er gegenüber Lilly reagiert hatte, als er in Rage war, jetzt fürchtete ich mich vor seiner Reaktion, wenn er merkte, dass ich doch hier stand. Vier von acht Scheinwerfern konnte ich ausmachen, folglich fehlten noch drei, den acht Personen waren am Start und einer war bereits da ausgeschieden. Nicht mal eine Minute und die erste Gruppe würde bei uns eintreffen. So wie ich das von hier aus sehen konnte, war das ein Kopf an Kopf - Rennen von drei Leuten, das vierte Licht schien ein wenig hinter den vorderen zu sein. Jetzt traten auch ein paar von den anderen Zuschauern weiter auf den Weg und starrten gebannt in die Richtung des Rennens. Eigentlich interessierte es mich nicht einmal und dennoch starrte auch ich gebannt auf das Geschehen. Mit jedem Augenzwinkern kamen sie näher auf uns zu. Bis sich letztendlich zwei Motorräder vom Dritten abkapselten, welches sichtbar kurzfristig abbremste.

Die Vordern Bikes bretterten über die Ziellinie, von hier aus konnte ich nicht sehen, wer gewonnen hatte, aber das würde ich sicher noch feststellen. Jedoch erblickte ich Carvers Hayabusa im Licht der Lagerhalle nicht. Erleichtert atmete ich auf, als ich einen der beiden als Eric erkennen konnte, der jubelnd von seinen Kumpanen empfangen wurde. Das zweite Motorrad steuerte mit verringerter Fahrt auf mich zu. Erschocken stellte ich fest, dass der Fahrer nicht den Anschein machte zu bremsen. Ich wollte einen Schritt zur Seite gehen, doch meine Beine fühlten sich an wie Betonklötze, sie hörten nicht auf mich und blieben einfach an ihrem Fleck. Erstarrt sah ich dem näherkommenden Fahrzeug entgegen und bereitete mich gedanklich auf das Schlimmste vor. Schnell kniff ich meine Augen zusammen, um den Aufprall nicht zu sehen, ich wollte nicht, dass genau dies meine letzte Sicht war. 

»Verdammt Alec!«, drang Erics hysterische Stimme zu mir durch, doch in diesem Moment spürte ich, wie sich der Vorderreifen zwischen meine leicht gespreizten Beine schob. Automatisch schrie ich auf, während ich meine Lider fest aufeinander gepresst hielt und auf den Druck wartete, der mich zurückwarf.

Ein kaltes Lachen drang zu mir, kälter noch als das von Carver. Erschrocken riss ich die Augen auf und starrte in Blakes giftgrüne Augen, die unmittelbar vor mir waren. Gelassen lehnte er, mit seinem Helm in der Hand, auf dem Lenker seiner goldschwarzen Ducati und beobachtete jede Reaktion von mir. Erst als ich mir sicher war, dass nichts mehr passieren würde, sah ich an mir runter. Die Maschine war circa einen Centimeter vor mir zum Halten gekommen. Nur das Vorderrad rang zwischen meinen Beinen. 

»Du hast mehr Mum als seine Letzte, magst du nicht bei uns einsteigen? Ich bin immer auf der Suche nach taffen Frauen.« Sprachlos betrachtete ich ihn, so langsam fing ich an mich zu fragen, wo ich gelandet war. Bis vorgestern war ich noch eine normale junge Frau, die einfach nur ihr Studium beenden wollte und sich Gedanken darum machte, wie ihr Leben danach weiter ging. Doch dann drang Carver in mein Umfeld und alles krempelte sich um. Nicht, dass ich nur erfahren hatte, dass mir meine Jugendliebe und bislang einzige Bezeihung fremdgegangen war und ich ihn einfach verlassen hab. Nein, zu allem Überfluss hatte ich mich auf Carvers Spiel eingelassen und ihm verholfen seiner Freundin fremdzugehen, die er dann auch noch verlässt. Und jetzt stand ich hier bereits zum zweiten Mal bei einem Motorradrennen, denen ich schon seit Erics eintreten bei den Scorpions vor sieben Jahren gekonnt aus dem Weg ging. So langsam stellte sich mir die Frage, welche Seite mein wirkliches Ich war.

Taumelnd setzte ich einen Schritt zurück und betrachtete Blake, ein scheinheiliges Lächeln machte sich auf seinen Lippen breit. 

»Ich warte auf eine Antwort und das, bevor dein Macker hier auftaucht.« 
»Er ist nicht mein Macker, ich bin lediglich mit ihm zusammen hier!«, fauchte ich ihn an. Blake drehte sich leicht weg und sah über seine Schulter nach hinten. 
»Demnach willst du mir erzählen, dass er einfach so in Rage gerät?« Prüfend wendete er sein Gesicht wieder in meine Richtung. 
»Aber wenn du deine Antwort Glaubhaftigkeit verleihen möchtest, verlasse diesen Platz gleich mit mir.« Mit diesen Worten stieg er von seiner Maschine und betrachtete mich noch kurz. 
»Ich krall mir eben den Armleuchter, der Hand an dich gelegt hat und dann hol ich mir eine Antwort.« Schon drehte er sich weg und ließ mich verblüfft stehen.

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