Mittwoch, 8. August 2012

behind your eyes - Kapitel 4

Mason hockte über mir, immer noch lehnte sein Kopf auf meiner Schulter. Behutsam hob ich meinen Kopf und sah auf die Uhr, es war bereits später Nachmittag, ich musste eingenickt sein. Auch er schien zu schlafen, zumindest ließ das Gewicht auf mir und seine ruhige Atmung keine anderen Schlüsse übrig. Irgendwie war es ein angenehmes Gefühl, wie sein warmer Atem auf meinen Hals fiel. Ebenso mochte ich die Nähe. Doch schon drangen die Erinnerungen an sein Fehlverhalten wieder hoch. Sofort schossen Tränen in meine Augen. Ich freute mich, als ich Schritte aus der Diele vernahm, den so konnte ich mich ablenken, bevor mich die Tränen übermannen würden. Eric trat in den Türrahmen und lehnte sich langsam dagegen. 
»Wie lange willst du unter ihm liegen bleiben?«, hörte ich ihn sarkastisch sagen. Das Grinsen zog sich breit über sein Gesicht, bevor er auf uns zukam und Mason feste auf die Schulter klopfte. Dieser fuhr schnell hoch, seine Augen waren weit aufgerissen. Eric musste ihn erschreckt haben. Es dauerte einen Moment, bis Mason registrierte, was vor sich ging und von mir aufstand. Eric zog ihn beiseite und flüsterte ihm irgendwas zu. Verwundert sah ich das Schauspiel an, ich erinnerte mich nicht daran, dass die Zwei sich verstanden. Meinen Kopf schräg legend betrachtete ich das Geschehen kurz, bevor ich zur Türe ging. Jetzt ins Zimmer und dann eine Runde ins Bett legen. Ich hatte allerdings nicht mit Eric gerechnet, kaum war ich am Türrahmen angekommen, rief er mir hinterher. Auf dem Absatz drehte ich mich zu ihm und wartete gespannt auf seine Aussage. 
»Mach dich fertig, wir müssen gleich los. Carver wartet nicht gerne.« Ich fuhr herum und starrte ihn an. 
»Was bitte heißt: Carver wartet nicht gerne?« Das Entsetzen konnte man aus meiner Stimme hören. Eric lächelte nur kurz, sagte aber nichts weiter dazu, dementsprechend machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer.

Etwa eine Stunde später kam ich wieder runter, meine Haare hingen wieder wild in alle Richtungen von meinem Kopf. Ich weiß nicht, was ich falsch machte, aber sie ließen sich einfach nicht bändigen. Meine Kleidung bestand aus einem schwarzen Tanktop, weit geschnitten mit großem Ausschnitt. Ein Totenkopf verzierte die Front, während der Rücken mit einer lockeren Schnürung das Oberteil zusammenhielt. Es rutscht an einer Seite dauernd über meine Schulter, aber das störte mich nicht. Meine Hose war eine dunkelblaue, enganliegende Röhrenjeans mit einigen Flicken versehen. Dazu trug ich schwarze Halbstiefel mit einer Zierschnalle über dem Knöchel. Ich ging davon aus, dass diese Kleidung zum Abend passen würde. Nicht zu gammlig aber auch nicht zu fein angezogen, das dürfte perfekt sein. Sofort erntete ich ein pfeifen von Mason, während Eric an mir herabsah und sein Augenmerk auf meiner freien Schulter ruhen ließ. Ich Beachtete seine Blicke nicht weiter und zog mir die Jacke von Carver über.
Eric bestand darauf, dass ich bei ihm mitfahren würde, natürlich nahm ich dieses Angebot gerne an. Jeder Abstand zwischen Mason und mir erfreute mich ungemein. Ich konnte ihn verstehen, er hatte Angst mich zu verlieren, aber ich brauchte genau jetzt Freiraum. Wie sollte ich mir im Klaren darüber werden, was ich wollte, wenn er die ganze Zeit an mir hing, wie eine Klette. Die Fahrt führte einmal quer durch die Stadt, bis wir auf einem Feld ankamen. Lediglich eine Hütte stand hier draußen. Alles wirkte idyllisch, wenn nicht dieser Lärm wäre, der aus dem Inneren zu uns raus drang. Ich stieg ab und schnallte den Helm ab, ein Blick zu Eric verriet mir, dass ich ihn beim Motorrad lassen konnte. Mason hielt neben uns, wir hatten eine Ampel Vorsprung zu ihm gehabt. 

»Du solltest die Jacke ausziehen, wenn du keinen Streit mit Lilly haben willst«, erklärte mir Eric, während er am Ärmel zupfte. Ich schüttelte den Kopf, mir war es egal, was Lilly denken würde, wieso sollte ich auf sie achten. Carver hatte mir die Jacke selber gegeben und dürfte dies auch selber ausbaden. Langsam ging ich auf die Hütte zu und schritt nach kurzem Zögern durch die Türe. Im Inneren erwartete mich ein großer Raum, lediglich zwei Türen konnte ich entdecken. Am anderen Ende des Raumes entdeckte ich eine Bar, nicht wirklich groß, aber für die Gang sicher ausreichend.

Carver stand an der kleinen Bar und überblickte das Geschehen, während sich Lilly sprichwörtlich um seinen Hals warf. Meine Blicke hafteten an ihm, ich weiß nicht, was es war, aber irgendwas zog mich magisch an. Erst Mason riss mich aus meiner Faszination, als er seinen Arm um meine Hüfte legte und mich an sich zog. »Mason bitte ...«, sagte ich, während ich wieder Abstand zwischen uns bringen wollte. Ihm war es egal, er zog mich einfach näher an sich. 

»Carver will mit deinem Weib sprechen!« Ein Mann neben Mason sprach ihn scharf an, mich hätte es sicherlich eingeschüchtert, aber er blieb locker. Er sah mich flehend an, ich wusste genau, dass er mich nicht gern bei Carver sah, aber das war mir gerade völlig egal. Ohne ihn weiter zu beachten, machte ich mich auf den Weg durch die Menge Richtung Carver. Carver betrachtete mich, als ich vor ihm stand, sein charmantes Lächeln blitzt kurz auf, wurde dann aber von Lillys Anhänglichkeit unterbrochen. 
»Lass uns alleine!«, seine Stimme klang bei diesen Worten genauso kalt, wie die von dem Mann vorhin. Lilly blickte herablassend zu mir, auf Anhieb würde ich sagen, dass ich sie nicht leiden konnte. Dieser Körper war so perfekt, dass er nicht Natur war. Obendrein kleidete sie sich wie eine billige Nute, aber sowas in der Art war sie auch. Immerhin sprang sie mit jedem ins Bett, den sie kriegen konnte. Carver beachtete sie nicht weiter, sondern drehte sich in meine Richtung. 
»Ich hab nicht damit gerechnet, dass du wirklich auftauchst.« Ich lehnte mich neben ihm an die Theke und betrachtete ihn genau. Er trug eine enge Lederhose und sein dunkelblaues Hemd war nur halb zugeknöpft. Um seinen Hals hing eine Kette, doch optisch sah es aus wie zwei. In regelmäßigen Abständen war über dem schwarzen Band ein silbernes Röhrchen. Ein Riemen war kurz, er ging genau um seinen Hals, der Zweite ging bis zu seinem Brustkorb. An dem längeren Stück hing ein Anhänger, der einem keltischen Kreuz ähnelte.

»Glaubst du, ich habe Angst davor dich wieder zusehen?« Ich beobachtete sein Verhalten genau, wartete auf eine Reaktion. Carver beugte sich vor, sein Atem strich über mein Gesicht, während seine Hand sanft über meine Wange strich. 

»Du hast Angst schwach zu werden«, raunte er und schon zog ein leichter Schauer über meinen Körper. Daran könnte ich mich gewöhnen. 
»Hör auf zu spielen, was willst du?« Meine Stimme klang schärfer als sie sollte, aber es schien seinen Zweck zu erfüllen. Er lehnte sich noch weiter vor, legte seinen Kopf an meinen. 
»Dich«, hauchte er selbstsicher in mein Ohr. Ohne eine Reaktion abzuwarten liebkoste er meinen Hals. 
»Und du willst mich genauso, Babe.« Fügte er hinzu, er war sich seiner Annahme sehr sicher, was mich nervös machte. Carver verharrte einige Minuten in dieser Haltung, bis er sich letztendlich vor mich stellte. Seine Hand ruhte auf dem Bund meiner Hose. Langsam nährte er sein Gesicht dem Meinen. 
»Ich werde dich zu nichts zwingen.« Waren seine letzten Worte, bevor seine Lippen meine umschlossen.

Nach einer geraumen Zeit löste er sich von mir, seine roten Augen sahen mit diesem verlangenden Ausdruck auf mich. Es gab mir das Gefühl, er könnte mich durchschaun, direkt in mein Inneres, all meine Gedanken sehen. Seine Hand fuhr langsam an meinem Körper hoch. Er achtete nicht darauf über meinem Shirt zu bleiben, sondern umschloss feste meine Brust. 

»Nicht ...«, keuchte ich, obwohl mein Körper auf seine Berührungen reagierte. In seiner Gegenwart fühlte ich mich willenlos, er brauchte nichts zutun und dennoch fühlte ich mich von ihm angezogen. Carver reagierte nicht auf meine Worte. Er lehnte sich an mich, biss kurz in meine Unterlippe und grinste. 
»Mason kann dir nicht das Bieten, was ich dir geben könnte.«
Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, mein Kopf fühlte sich benebelt an. Erst als Eric und Mason neben uns auftauchten und Carver von mir wegzog wurde, bemerkte ich, was hier passiert war. Eric legte einen Arm auf meinen Rücken und drückte mich durch den Raum. 

»Du solltest dich nicht auf Carvers kleine Spielchen einlassen.« Ich sah Eric an und lehnte meinen Kopf auf seine Schulter. 
»Danke ...«, flüsterte ich nur. Ich fragte mich, was mit mir los war, wenn er in meiner Nähe war. Bisher reagierte ich jedes Mal auf ihn, wenn er mir zu nahe kam. 
»Wieso fühl ich mich so schwach in seiner Gegenwart?«, frage ich ihn. Vielleicht wusste er eine Antwort darauf, immerhin kannte er ihn schon ein paar Jahre. 
»Er spielt mit seinen Devil Eyes. Dadurch kennt er deine Schwächen. Er weiß sie für sich zu nutzen. Obendrein benutzt er Moschus, du scheinst zu den wenigen Frauen zu gehören, die darauf extrem Reagieren.« Ich nickte, mir war klar, was er damit sagen wollte. Abstand halten ist besser, als diese Nähe zuzulassen.

Eric hielt sich in meiner Nähe auf und achtete darauf, dass ich mich einigermaßen wohl fühlte. Doch meine Blicke wanderten immer wieder zu Mason und Carver. Die beiden Standen an der Bar und schienen sich zu streiten. Plötzlich kam Mason auf uns zu, direkt vor mir hielt er an. 

»Mach dich fertig, das Rennen beginnt gleich. Du gibst das Startsignal.« Erstaunt blickte ich zu ihm auf, dass konnte nicht sein ernst sein. Eigentlich hatte ich gehofft, dass heute kein Rennen stattfinden würde. Völlig perplex ließ er mich stehen und ging raus. Ich stand verwirrt herum, wusste nicht, was ich tun sollte, bis Eric sich vor mich stellte. 
»Mason hat Carver herausgefordert.« Augenblicklich stockte mein Atem, das konnte nicht wahr sein.

Einige Zeit später standen wir draußen, meine Blicke wechselten zwischen Mason und Carver. Wie kamen die beiden auf die idiotische Idee, ein Rennen auf die Klippe zu veranstalten? Zeitgleich starteten ihre Maschinen, während ich innerlich die Regeln durchging. Ich musste das Startsignal geben, worauf die beiden eine riskante Fahrt starten würden. Mit hoher Geschwindigkeit würden sie auf die Klippe zurasen und erst im letzten Moment bremsen. Gewonnen hätte der, der am spätesten bremst und dabei nicht starb. Mir war unwohl bei dem Gedanken, was alles passieren könnte. Zwischen mir und der Klippe lag knapp ein Kilometer. Ein paar der Scorpions waren mit ihren Bikes rüber gefahren, um genau sagen zu können, wer der beiden gewonnen hätte. Eric gehörte auch zu dieser Gruppe. Das Licht der beiden Motorräder vor mir blendete und zwang mich die Augen zu schließen. Vorsichtig und mit bedenken streckte ich meine Arme seitwärts von mir weg. Immer mehr zog sich mein Magen zusammen, irgendwas würde passieren. Auf meine Intuition war eigentlich Verlass. Langsam fuhren meine Arme nach oben, während mein Herz gegen meinen Brustkorb hämmerte. Die wenigen Sekunden, die ich in dieser Position verweilte, kamen mir vor wie Minuten. Meine Arme fielen nach vorne, bis sie wieder an meinem Körper runter hingen. Das Geräusch der Maschinen, deren Leistung innerhalb einer Sekunde auf ein Maximum hochgezogen wurde, ließ mich meine Augen aufreißen. Die beiden Männer rasten an mir vorbei, all jene, die um uns rum standen, drehten sich in die Richtung, in der die Klippe lag. Nur ich nicht, ich blieb starr in meiner Position, mein Körper zitterte und die Angst, dass etwa passieren würde, übermannte mich.

Ich brauchte einen kurzen Moment um mich wieder zu fangen, mir selber einzureden, dass nichts passieren würde. Dennoch wollte ich mich nicht umdrehen. Es mag sein, dass einige den Kick des Adrenalins brauchten, ich hingegen könnte damit nichts anfangen. Doch dann bemerkte ich etwas, etwas, was mir erneut den Atem verschlug. Leuchtend rote Schriftzeichen, die für seinen Namen standen, sprang mir direkt in die Augen. Die schwarze Suzuki von Carver stand immer noch auf ihrem Platz. Wieso sollte er ausgerechnet für dieses Rennen ein anderes Motorrad nutzen? Ich weiß nicht, was es war, dass mich dazu veranlasste mich umzudrehen und hinter den Männern herzuschaun. Doch ich würde es bereuen, diese Bilder würde ich nie wieder aus meinem Kopf bekommen. Die beiden Motorräder fuhren dicht beieinander, es war so dunkel, dass ich sie von hinten nicht auseinanderhalten konnte. Es waren vielleicht noch hundert Meter bis zur Klippe, doch niemand machte das Anzeichen zu bremsen. Zwanghaft versuchte ich nach Luft zu ringen, während der Kloß in meinem Hals immer größer wurden. Ich merkte, wie mein Körper anfing zu zittern, Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und Handinnenfläche. Ich wusste nicht, was Mason zu diesem Rennen veranlasste, im Moment war es mir auch egal, meine Gedanken kreisten nur darum, dass beide Männer keinen Unsinn bauten und bremsten. Gebannt starrte ich auf die Rücklichter, beide könnten nicht mehr rechtzeitig bremsen, um das Motorrad noch vor der Klippe zum Stehen zu bewegen. Die Geräusche der Umgebung, der Leute, die die Männer anfeuerten, verschwamm, ohne es richtig zu realisieren bewegte ich mich auf die Klippe zu, immer schneller und dann passierte es, dass unvermeidliche. Ein Motorrad bremste ab, von hier aus konnte ich nicht erkennen, wer es war. Es legte sich zur Seite und rutschte beständig auf die Klippe zu, während das andere immer noch ungebremst darauf zufuhr. Kurz vorher leuchteten auch bei diesem die roten Lichter auf und es legte sich scharf zur Seite. Ich konnte noch sehen, wie sich das Motorrad halb drehte und die Klippe runterfiel. Der Scheinwerfer leuchtete in meine Richtung und da war es, ein Bild, dass mich immer wieder verfolgen würde. Einer der Fahrer rutschte durch die Geschwindigkeit unaufhörlich weiter auf den Abgrund zu, bis dieser augenscheinlich von diesem verschluckt wurde. Meine Beine versagten, wodurch ich hart auf den Boden aufschlug. Mit dem Aufprall entglitt mir ein lauter Schrei. Ich versuchte klar zu denken, was dort geschehen ist, doch das Einzige, was mir einfiel, war die Antwort darauf, wer die Klippe runter gefallen sein müsste.

Das Rufen der anderen drang wieder zu mir durch, ich brauchte niemanden hören, um zu wissen, dass dies Carver war. Mason wäre nie so leichtsinnig gewesen, egal wie hoch der Einsatz gewesen wäre. Meine letzten Kräfte zusammen nehmend stand ich auf und zwang mich zu der Klippe zu rennen. Mason lag am Boden, er krümmte sich, doch ein paar schauten schon nach ihm. Seine Sorge hingegen galt nur darum, ob er gewonnen hatte. Ihm war es egal, dass sein Motorrad über die Klippe gefallen war. An der Stelle, an der Carver über die Kante gerutscht war, standen einige Männer. Ich drängte mich durch ihren Halbkreis, wollte mir das Geschehen selber ansehen, mich vergewissern, dass dies nicht nur ein Tagtraum war.
»Du gehörst jetzt mir, Babe, ich hab gewonnen«, ertönte seine Stimme, als sei nichts gewesen. Erstarrt blieb ich stehen, starrte den Mann innerhalb des Halbkreises an. Carver hockte am Rand der Klippe, seine Lippen zu einem breiten Grinsen gezogen. Augenblicklich stieg eine Wut in mir auf. Ich schritt schnell auf ihn zu und knallte meine Handfläche in sein Gesicht. 

»Was fällt euch ein? Ihr hättet beide sterben können!«

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen