Mittwoch, 8. August 2012

behind your eyes - Kapitel 11

Ganze drei Monate waren vergangen, ehe ich mich einigermaßen gefangen hatte. Ernsthaft durchdrang mich die Frage, wie ein einzelner Mann, innerhalb weniger Tage, ein derartiges Verlangen in mir wecken konnte. Es war fast, als seihen wir füreinander geschaffen. Nein, ich musste mich korrigieren, er war für mich wie geschaffen, aber andersherum schien es nicht so. ‚Was hatte ich in meinem Vorleben nur falsch gemacht, um solche Qualen durchstehen zu müssen?‘, fragte ich mich, während ich mir die flache Hand auf die Stirn legte.

Ich ließ die wenige Zeit, die ich mit Carver hatte, durch meine Gedanken streifen und dachte darüber nach, was da überhaupt vorgefallen war. Wie konnte mir dieser Mann nur so dermaßen den Kopf verdrehen? Er hatte es geschafft, mich innerhalb von noch nicht mal 2 Tagen von Mason wegzubekommen. Mein Leben war komplett verdreht. Langsam hob ich meine linke Hand an und legte sie behutsam auf meinem Bauch ab. ‚Was hast du nur für eine Zukunft?‘, fragte ich mich innerlich. Ein leises Seufzen entglitt mir, bevor mich ein lautes Poltern im Flur aus den Gedanken riss.

»Alexa Cassandra Baker!«, ertönte die gereizte Stimme meines Vaters, wenn er mich schon mit vollem Namen rief, war Ärger vorprogrammiert. Leider musste ich mir selber eingestehen, dass ich vollkommen vergessen hatte, dass die beiden heute wieder kommen wollten. Erschrocken setzte ich mich auf und starrte meine Tür an. Noch drei, zwei, eins und schon wurde das schützende Stück Holz aufgerissen und prallte mit einem lauten Knall gegen die Wand. Vor mir baute sich mein Vater auf, auf seiner Schläfe pochten die Adern förmlich und zeigten seine Wut. Verkrampft hielt er einen kleinen Zettel hoch, auf dem ich unweigerlich den Namen meines Hausarztes erkennen konnte.

Sofort durchdrangen mich alle möglichen Gedanken und nur einer war der sinnvollste, es musste das Schreiben für den Frauenarzt sein, auf dem in großer und säuberlicher Schrift das Wort ‚Schwanger‘ stand. Damit wäre die Frage gelöst, wie ich es meinen Eltern hätte beibringen können. Ohne auf eine Aussage seinerseits zu warten, blickte ich auf den Boden. Ich wusste, dass es ihn nicht erfreute, immerhin war ich mitten im Studium, aber zu meinem Glück ahnte er noch nichts von der Trennung zu Mason. 

»Wer ist der Vater?«, erklang augenblicklich seine Stimme und durchschnitt die drückende Stille. 
»Ich hoffe doch sehr, dass es Mason ist, dennoch hat Eric etwas anderes andeuten lassen.« Geschockt sah ich auf, mein Bruder hatte demnach schon mit den beiden gesprochen. Er ahnte sicherlich, dass ich nicht auch nur ein Wort darüber verloren würde.

»Nein, Mason und ich sind getrennt«, gab ich kleinlaut zu und hoffte, dass er nicht zu gereizt reagieren würde. Sein Blick verfinsterte sich noch ein wenig mehr. 

»Wer ist der Bastard, der Hand an dich gelegt hat?« Der Hass in seiner Stimme ließ mich hart schlucken. Eigentlich war ich immer der Liebling in der Familie, aber das er so kalt mit mir reden konnte durchfuhr meinen ganzen Körper. 
»Du wirst ihn kennen lernen, sollte ER Wert darauf legen«, entgegnete ich ihm mit eiskalter Tonlage, obwohl ich Respekt vor meinem alten Herrn besaß. Dessen ungeachtet versuchte ich die Aussage zu vermeiden, dass der Vater meines Ungeborenen ein Mann mit Devil Eyes ist. Dies würde nur für mehr Ärger gesorgt, als bereits in der Luft lag. Ohne ihn weiter zu beachten, schritt ich auf ihn zu und drängte mich an ihm vorbei. Mein Entschluss für die Zukunft stand fest, auch wenn ich nicht wusste, wie alles kommen sollte. Dennoch wird dieses Lebewesen in meinem Bauch das Licht der Welt erblicken und niemandem sollte es gewährt sein, sich dagegen zustellen.

Ungeachtet seiner irritierten Haltung, dass sich seine kleine Prinzessin gegen ihn stellte, ließ ich meinen Vater hinter mir und hielt erst am Treppenansatz an, um meiner Meinung freien Ausdruck zu verleihen. 

»Ich werde dieses Kind austragen, entweder ihr unterstützt mich, oder ich bin auf mich allein gestellt. Teilt mir eure Entscheidung mit, sobald sie feststeht.« Mit diesen Worten ging ich zielstrebig die Treppe runter, der einzige, zu dem ich jetzt konnte, war Mason. Eigentlich war mir nicht danach, ausgerechnet ihn um Hilfe zu bitten, doch genauso wusste ich, dass ich heute besser nicht nach Hause gehen sollte.

Vor der Türe atmete ich erstmal tief durch, ich hatte nicht mal zeit, mich wirklich fertigzumachen. So stand ich in einer braunen Hotpant, einem leicht rosanem Tanktop und schwarzen Ballerinas vor der Türe. Meine Haare wollte ich mir lieber nicht in der Spiegelung des Fensters anschauen, genauso wenig, ob sich der leichte Ansatz des Babybauches bereits durch mein Shirt drückte. Langsam und mit ungutem Gefühl schritt ich Richtung Bus, wie sollte ich auch froh sein, ausgerechnet zu Mason zu müssen? Seit dem Vorfall mit Carver hatte er sich verändert. Er war kälter, abweisender, aber wenn ich ihn brauchte, wusste ich, dass ich zu ihm gehen konnte. Wahrscheinlich war es kein guter Schachzug von mir, ihm am Tag der Entlassung an den Kopf zu werfen, was los war. Dennoch war ich nicht die Person, die einfach schweigend das Geschehene ignorieren konnte.

Es verging eine ganze Weile, bis ich letztendlich sein Elternhaus vor mir erblickte. Der Mut zu läuten war ins Unermessliche gesunken. Langsam legte ich die letzten Schritte vor, bis ich vor der schweren Holztüre stand und den Finger zur Klingel hob. Entgegen meiner Erwartung brauchte ich nicht mal Klingeln, die Türe wurde direkt aufgerissen und Mason lächelte mir leicht zu. 

»Lilly hat dich gesehen«, erklärte dieser auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck und zog mich rein. Seufzend ließ ich mich hinter ihm her ziehen, wieso ausgerechnet Lilly? Ihr versuchte ich die letzten Monate aus dem Weg zu gehen. Auch wenn ich nichts mehr mit Carver zutun hatte, hieß das nicht, dass ich mich nun mit dieser Frau anfreunden müsste.

Mason blieb am Wohnzimmer stehen. 

»Geh rein und warte eben auf mich, ich bin sofort bei dir«, beteuerte er und drehte sich um, wobei er direkt auf das Arbeitszimmer seines Vaters zu ging. Verloren in diesem großen Haus lehnte ich mich an den Türrahmen und sah ihm hinterher. Seine Schultern sahen breiter aus, als früher, anscheinend trainierte er wieder. 
»Alexa?« riss mich eine sanfte Mädchenstimme aus den Gedanken, erschrocken fuhr ich herum und erblickte Lilly, die hinter mir stand. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. Erstaunt über ihren freundlichen Ton versuchte ich meine Wut auf sie runterzuschlucken.

»Was willst du?«, fragte ich mit recht kühlem Ton, auch nach den drei Monaten hatte ich ihre damaligen Worte nicht vergessen. Wenn ich an ihrer Stelle ins Zimmer geplatzt wäre, hätte ich sicher nicht anders reagiert, aber es veränderte keinesfalls die Situation. 

»Ich möchte mit dir reden...«, fing sie an und richtete ihren Blick auf mich. 
»Mason erwähnte, dass du...«, sie brach mitten im Satz ab, ihrem Gesichtsausdruck und ihrer Haltung zu urteilen konnte ich mir ihre Frage selber zusammensetzen. Ich hatte nie viel mit ihr zu tun, wozu auch, sie war lediglich Carvers Ex und die Frau, mit der mir Mason fremdging. Das sie sich überhaupt wagte mich anzusprechen löste eine unvorstellbare Wut in mir aus.

»Ja«, entgegnete ich ihr kalt 

»sicher stimmt es dich zufrieden, dass er mich ebenfalls sitzen lassen hat.« Leicht schüttelte sie ihre blonden Locken und sah betreten auf den Boden. 
»Nein, überhaupt nicht« entsetzt von ihren Worten erstarrten meine Blicke auf ihr. Ich verstand nicht, was sie von mir wollte, wieso ließ sie mich nicht einfach in frieden? 
»Carver weiß nicht, was er an dir hat. Erst war er besessen dich mit allen Mitteln zu besitzen und dann wirft er dich weg. Ich wollte mich bei dir entschuldigen«, sprach sie mit leiser Stimme und richtete ihren Blick erneut auf den Boden. Ich schaute sie an, erahnte nicht, worauf sie hinaus wollte.

»Ich hab ihm geholfen. Die Idee Mason zuverführen, kam von ihm. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich es gemacht hab und ich hoffe, wir können irgendwann Neuanfangen.« Ihre Stimme war immer noch ruhig und ließ nicht den geringsten Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Worte zu. Ich drehte mich weg, es war weniger ihre Ehrlichkeit, als das Missbefinden in meiner Magengegend. Schwangerschaft hat ihre Nebenwirkungen, aber musste es ausgerechnet jetzt vor ihr auftreten? Ich hob die Hand, um ihr zu zeigen, dass ich sie verstanden hatte und machte mich auf den Weg ins Bad. Oftmals verschwand dieses Gefühl, doch es gab , wenn auch seltener, Momente, in denen es nicht der Fall war.

Die Gästetoilette lag am anderen Ende des Flures, zielsicher ging ich auf sie zu und schloss die Tür hinter mir. Das Bad war klein und mit hellen Marmorfließen ausgelegt, ein warmes und freundliches Licht erfüllte den Raum durch das Fenster. Sofort blickte ich in den großen Spiegel, der über dem Waschbecken prangte; und erblickte ein bleiches Gesicht. Wenn ich die Umstände nicht genau gekannt hätte, würde sich mir der Verdacht beschließen, dass dieses Mädchen nicht ich sein konnte. Schnell spritzte ich mir kaltes Wasser ins Gesicht um die Schweißperlen auf meiner Stirn zu vertuschen, die sich durch dieses Übelkeit bildeten.

Es dauerte nicht lange, als schon jemand gegen die Tür hämmerte. 

»Alec? Alles in Ordnung bei dir?«, Masons aufgebrachte Stimme drang zu mir durch, wahrscheinlich vermutete er das Schlimmste. Ein gequältes und leises ‚Ja‘ entrang meinen Lippen, als ich mich an die kalte Wand neben mir lehnte. Sofort merkte ich, wie mir heiße Tränen die Wange runter rannen. Das Gespräch über Carver löste aufs Neue die Schmerzen der Trauer und Wut in mir aus, wie lang würde es dauern, bis ich genau dies überstanden hätte?

Ich wartete noch, bis sich auch die letzte Träne ihren Weg über meinen Wangen hinab gesucht hatte, bis ich langsam die Tür öffnete. Mason hatte sofort den Arm um mich gelegt und, zu meinem Erstaunen, nicht ins Wohnzimmer, sondern in sein Zimmer gebracht. Einige Zeit schwieg er mich an, bis er sich in sein Bett zurückfallen ließ. Leise hauchte er meinen Namen und verharrte auf eine Reaktion meinerseits. Behutsam wandte ich meinen Blick auf ihn und betrachtete ihn genau. Seine goldbraunen Haare lagen spielerisch um sein Gesicht, der eigentliche Glanz in seinen leuchtend blauen Augen war vergangen, seit Monaten hatte ich ihn nicht mehr gesehen. 

»Wieso war sie hier?«, fragte ich leise, unsicher, ob diese Frage überhaupt sinn ergab. 
»Sie wollte mir ausrichten, dass heute Abend eine Versammlung ist. Wenn ich nicht hingeh, bin ich draußen.« Ich nickte, als ich darüber nachdachte, wann Mason das letzte mal auf einem Treffen der Scorpions war. Damals war es immer sein Traum und seit seinem Unfall ist er nicht mehr dorthin gegangen.

»Du musst nicht wegen mir von dort fernbleiben«, flüsterte ich, auch wenn ich seine Reaktion kannte. Er seufzte, zog mich an sich und strich mir behutsam über das Haar, wie ich diese Nähe zu einem Menschen vermisst hatte. Völlig entspannt schmiegte ich mich an seinen starken Oberkörper und fürchtete, dass ich einschlafen würde, wenn ich länger in dieser Position verweilte. 

»Er will, dass ich dich mitnehme«, hauchte er, doch selbst in diesem fast emotionslosen Hauch konnte ich den Hass auf Carver raushören. 
»Ich will es dir nicht zumuten, demnach werde ich freiwillig aussteigen« 
»Nein«, widersprach ich ihm und spürte, wie sich sein Griff festigte. 
»Ich werde ihm den Triumph nicht gönnen. Wir gehen zusammen dorthin...« Ich war mir selber nicht sicher, ob ich meine Wort ernst meinte, oder ob ich sie nur sagte um Mason nicht hängen zu lassen. Doch dies würde sich im Laufe des Tages noch rausstellen.

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