Mittwoch, 8. August 2012

behind your eyes - Kapitel 10

Ich hab nicht den leisesten Schimmer, wie mich Carver an dem Abend noch nach Hause schaffte. Ich weiß nur, dass ich am nächsten Tag mit richtig heftigen Kopfschmerzen aufwachte und mich den ganzen Tag in meinem Bett verschanzte. Das war dann mein Wochenende. Zu meinem Erstaunen blieb Carver die gesamte Zeit bei mir. Er brachte mir Frühstück, Mittag und Abendbrot bis ans Bett und legte sich, nachdem er alles weggebracht hatte, wieder zu mir. Erst am Abend vergingen die üblen Schmerzen und so kuschelte ich mich entspannter an seinen Oberkörper. »Was war gestern los mit dir?«, flüsterte ich leise aus, während ich mit dem Zeigefinger die Konturen seiner Brustmuskeln nachzeichnete. »Ich wollte, dass du selber feststellst, dass ich dich nur schützen will«, sprach er genauso ruhig und legte seine Hand auf meinem Rücken ab. Mit hauchzarten Berührungen strich er sanft drüber. »Das meine ich nicht. Deine Eifersucht und heute deine Fürsorge. Gestern noch warst du ...« »Tu es nicht. Zerstör diesen Moment nicht mit dieser Frage«, unterbrach er mich hastig, aber bestimmend, und bestärkte seine Worte, indem er seine Hand auf meiner Haut zu ruhen ließ.
Aus diesem Grund schloss ich die Augen, er war wirklich stur. Folglich drehte ich mich auf die andere Seite und drückte mich ins Kissen. Ich war nicht ernsthaft sauer, aber dadurch, dass er nicht reden wollte, war mir nicht danach ihn zu sehen. Die Müdigkeit übermannte mich sehr zügig, wenn man sowieso den ganzen Tag mit geschlossenen Augen im Bett verbrachte, konnte es eigentlich auch nicht anders kommen. »Babe?«, vernahm ich seine Stimme, antwortete ihm jedoch nicht. Im Moment wollte ich einfach nur schlafen und hoffte, dass mich der Schlaf schnell einfangen würde. »Es tut mir leid, Alexa.« Mit Beendigung dieser Worte hauchte er einen Kuss auf meinen Scheitel und zog mich näher an sich. Ich lehnte mich gegen ihn, genoss die Wärme, die von ihm ausging. Das Letzte, was ich vernahm, war seine ruhige Stimme in meinem Ohr, doch nur ein Bruchteil seiner Worte wurde von meinem Verstand wahrgenommen. »Ich habe keine Wahl ...« und schon driftete ich in einen tiefen Schlaf ab.

Am nächsten Morgen drang der quälende Lärm meines Weckers in mein Ohr. Augenblicklich schlug ich nach dem nervenberaubenden Ding und drehte mich um, damit ich mich noch mal richtig unter die Decke kuscheln konnte. Mit meiner Hand tastete ich das Bett entlang und fuhr bestürzt hoch, als ich merkte, dass niemand neben mir lag. Erschrocken starrte ich auf die leere Betthälfte und ließ mich dann in die Kissen zurücksinken. Wahrscheinlich war er einfach schon wach, so wie bereits am Morgen zuvor. Einige Minuten später rappelte ich mich dann doch auf und zog eine Jeans und ein Top aus dem Schrank. Als ich mich anzog, entdeckte ich einen kleinen Zettel auf dem schwarzsilbernen Schreibtisch. Es war unmöglich ihn zu übersehen, denn er hatte ihn direkt auf meine, mit Totenköpfen verzierte, Mappe der Uni gelegt. Ich zog mich schnell zu Ende an und ließ mich danach auf den Schreibtischstuhl sinken. Vorsichtig drehte ich das fein säuberlich gefaltete Blatt in meinen Fingern, während ich es unaufhörlich anstarrte. Mir war klar, dass mir der Inhalt nicht gefallen würde und dennoch wollte ich Klarheit, was bedeutete, dass ich ihn lesen musste. Mit einem ziemlich drückenden Gefühl in der Magengegend faltete ich das Stück Papier langsam auseinander und starrte auf die eng aneinandergereihten Buchstaben, um mir jedes Wort innerlich einzuprägen.



Alexa,
ich verlange, dass du dich von Blake fernhältst.
Geh zu Mason, pflege ihn, werd mit ihm glücklich, er hat dich nur verletzt, weil ich Lilly auf ihn angesetzt habe.
Du warst für mich ein Spiel, nicht mehr und nicht weniger.


Ich starrte die Worte auf dem kleinen Stück Papier in meinen Händen an, deren Sinn einfach nicht zu mir durchdringen wollten. Sie kamen mir vor wie ein schlechter Scherz und ich wartete nur darauf, dass Carver aus der Ecke sprang, etwas wie ‚Haha, reingelegt!‘, rief und mich in den Arm nahm. Doch das passierte nicht. Völlig neben der Spur ging ich runter und betrat die Küche. In meinem Kopf malte ich mir immer noch die skurielsten Situationen aus, in denen er mir jedes Mal zu verstehen gab, dass der Brief ein einziger Scherz war. Denn ich wollte nicht glauben, dass er so mir nichts dir nichts gegangen war. Immer wieder versuchte ich mir dies einzureden, bis Eric schließlich auftauchte und mir eine Jacke zuwarf. »Komm Schwesterchen, ich fahr dich zur Uni«, erklärte er sich, als ich ihn einfach nur ansah, und schon lag sein Arm um meine Schulter. Kaum lehnte ich mich an ihn, bereute ich es bereits, denn sofort fing er mit seiner Predigt an. »Ich hab dir gesagt, du sollst dich nicht auf sein Spiel einlassen. Ich wusste vorher, dass es dich nur verletzen würde.« Doch ich schüttelte nur den Kopf, wobei ich versuchte genau diesen Gedanken zu verdrängen. »Wir fahren jetzt zur Uni, danach besuchen wir deinen Ex im Krankenhaus und dann machen wir uns einen schönen Nachmittag, bei dem ich versuche meine kleine Schwester ein bisschen abzulenken, okay?« Diesmal kam von mir nur ein leichtes Nicken, mir war wirklich nicht nach Reden zumute.

Natürlich kam es nicht so weit, denn bevor Eric mich am Mittag mitnehmen konnte, hatte ich mich auf den Weg zu Carver gemacht. Ich hatte nur eine Vorlesung mitbekommen und es danach nicht mehr ausgehalten. Jetzt hockte ich vor seiner Hütte und wartete darauf, dass er wieder kam. Den Brief hatte ich mitgeschleppt und starrte ihn noch immer verständnislos an. Am späten Nachmittag erklang das Geräusch eines Motorrads, es war Carver. Augenblicklich schlug mein Herz höher, als ich ihn sah, doch als er neben mir hielt, war ich mir nicht mehr sicher, ob es richtig war, hier zu sein. Sichtlich gelangweilt zog er seinen Helm ab und betrachtete mich nur kurz, ehe er seinen Blick auf seine Maschine heftete und sie ordentlich hinstellte. »Was willst du hier?«, erklang er, wobei seine Stimme so eisig war, dass es mich augenblicklich wie ein Blitz durchfuhr. »Antworten«, bemühte ich mich ruhig auszusprechen und starrte dabei auf den Boden vor mir. Ich atmete tief ein, sammelte meine Gedanken und kniff meine Augen zusammen, bevor ich ihm die Frage stellte, die mir derzeit am meisten auf der Seele brannte. »Wieso ich?« Genau das wollte ich wissen. »Ich hab dich bei Mason gesehen, er prallte damit, dass du perfekt wärst und ich nahm mir vor, ihm das Gegenteil zu beweisen. Welche Frau steht nicht auf den Unnahbaren?« Seine Worte trafen mich, wie ein Schlag in den Magen und ich konnte mir selber nicht erklären, warum es mich so erschütterte. Aber es kam mir so vor, als würde er mir den Boden unter den Füßen wegziehen.

»Was?!«, schrie ich ihn entgeistert an und versuchte die hochkommenden Tränen zu unterdrücken. »Dich zu kriegen war nicht anspruchsvoller, als bei den anderen. Du hast mir förmlich aus der Hand gefressen, Kleines.« Meine Augen weiteten sich unter seinen Worten. Ich hatte zwar damit gerechnet, dass er ein Arsch war, aber so kalt konnte selbst er nicht sein, oder doch? »Du wolltest doch ...« »Mich mit dir austoben? Ja, solange du keine Beziehung verlangst!«, kam es eiskalt aus seiner Richtung. Augenblicklich hob ich mein Gesicht an und sah ihn an. »Ich wollte doch nicht ...« »Hör auf, ich weiß, welche Frage du mir stellen würdest und du wusstest, wie ich darauf reagiere«, unterbrach er mich wieder. Bedrohlich langsam schritt er um sein Motorrad und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Ich spürte, wie mein Körper zu zitterten begann, bewegte mich jedoch nicht einen Schritt zur Seite. »Diese Diskussion führt zu nichts. Ich weiß deine Antworten, noch bevor du sie kennst. Vergiss nicht, mit wem du sprichst.« »Mit jemandem, der meint alles über einen Menschen zu wissen, den er nicht kennt«, spie ich aus und drehte mich weg. Mir verging jegliche Lust mit ihm zu reden, er wollte mir nicht zuhören und ich hatte nicht vor gegen eine Wand zu reden. »Wohin willst du jetzt?« Seine Schritte stoppten kurz hinter mir, ich spürte seine Blicke in meinem Rücken. »Sag du es mir, du weißt es doch bereits«, antwortete ich ihm monoton und konzentrierte mich vollkommen darauf, nicht zusammenzubrechen. Ich wusste nicht, was es war, aber irgendwas hatte mich innerhalb der letzten Tage so stark an ihn gebunden, dass ich nicht glauben konnte, was gerade passierte. »Wo willst du hin, Alexa?«, wiederholt er nun leicht gereizt. »Überallhin, solange ich von dir weg komme! Außerdem, was kümmert es dich? Immerhin war ich doch eh nur dein Spielzeug«, fuhr es aus mir heraus. Nicht wissend, ob ich verzweifelt oder wütend über seine Ignoranz sein sollte, wollte ich einfach nur noch weg, bevor ich mich vergesse. Ich ging ein paar Schritte vorwärts, ich konnte es in seiner Anwesenheit nicht länger aushalten. »Tu nichts, was du hinterher bereuen würdest«, sprach er aus, kurz bevor ich hörte, wie er einen Schlüssel in das Schloss der Türe schob. »Das hab ich bereits«, konterte ich und ging noch ein paar Schritte weiter. »Alec, ich mein es ernst! Bau keine Scheiße!«, rief er mir nach. Augenblicklich drehte ich mich schwungvoll um und eilte auf ihn zu. Keine Scheiße bauen, er erahnte nicht im geringsten, für welche Wut er gerade in mir sorgte. Vor ihm hielt ich inne, betrachtete ihn einen Moment völlig entgeistert, bevor mich seine selbstgefällige Art, nur noch Rot sehen ließ. Ohne es selber zu registrieren, landete meine Handfläche mit einem lauten Knall in seinem Gesicht.

»Du bist schwanger«, flüsterte er Worte aus, die ich nicht verstehen konnte. Wie vom Blitz getroffen erstarrte ich und schluckte hart. Ich starrte ihn an, während meine Gedanken Purzelbäume schlugen. Wie bitte konnte er mir das so einfach an den Kopf werfen? »Das ist nicht dein Ernst ...«, hauchte ich aus, wobei meine Stimme brach. Doch sein Blick blieb fest und sagte genau das aus. Er räusperte sich kurz und stieß die Türe auf, bevor er mich wieder ansah. »Doch, es ist mein Ernst. Unser erstes Mal war ein Volltreffer, ich wollte es dir nicht sagen, aber ich befürchte, dass du jetzt einen Fehler machst.« Ich starrte ihn einfach nur an, während mein Körper zitterte, als würde Strom hindurchfließen. Wie zum Teufel, konnte er dabei so ruhig bleiben? Als seine Worte schließlich zu meinem Verstand durchgesickert waren, spürte ich wie die tragende Kraft aus meinen Beinen schwand und ich zu Boden ging. »Wenn du mir nicht glaubst, geh in ein oder zwei Wochen zum Arzt und lass dich testen. Doch auch diese Tatsache ändert nichts an meiner Entscheidung. Ich hatte nicht vor eine Beziehung mit dir einzugehen und werde meine Meinung ganz sicher nicht deswegen ändern. Ich rufe Eric an, damit er kommt und dich abholt.« Mit diesen Worten ging er rein und schloss hinter sich die Türe.

Wie leblos starrte ich auf den Boden und versuchte meinen Schock zu überwinden, als sich heiße Tränen ihre Wege über meine Wangen hinab bahnten. Ich sollte schwanger sein und das ausgerechnet von ihm. Obendrein riet er mir zu Mason zurückzugehen, was meiner Meinung nach eine zum Scheitern verurteilte Idee war. Ich schrak auf, als sich wie aus dem nichts eine Hand auf meine Schulter legte und einen sanften Druck darauf ausübte. Erleichtert blickte ich zu Eric auf, der sich unmittelbar neben mir befand. »Lass uns fahren, Schwesterherz. Glaub mir, er ist nicht eine Träne wert.« Ich nickte, auch wenn ich anderer Meinung war. Doch es änderte nichts daran, dass ich nicht im Stande war, eine Diskussion über Emotionen zu führen. »Ich bin schwanger ...«, hauchte ich zweifelnd aus und versuchte Erics entgleisten Gesichtsausdruck erst gar nicht zu beachten. »Das ist nicht dein Ernst«, erklang seine Stimme. »Sag, dass das nicht stimmt!«, schrie er schon fast, als ich ihn anschwieg. Ich vermied seine Blicke, starrte auf den Boden und wunderte mich darüber, dass ich es überhaupt ausgesprochen hatte. »Ich glaub das nicht, du bist mitten im Studium, was willst du da mit einem Kind? Lass uns zum Arzt fahren und er soll dich testen«, herrschte er mich an, während er mich am Arm zu seiner Ninja zog. Schweigend ließ ich ihn walten, Widerworte brachten in dieser Situation rein gar nichts. Doch an seinem Motorrad angekommen umfasste ich sein Handgelenk und hinderte ihn daran aufzusteigen. »Es wird nichts bringen. Er sagt, dass ich es bin, aufgrund seiner Visionen, aber ...« ich stockte, malte kleine Kreise mit meinem Fuß in den Boden und sah ihn dann an. »Aber er ist der Meinung, dass ich von Freitag schwanger sei. So früh kann es nicht mal ein Arzt feststellen.«

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