Donnerstag, 16. August 2012

behind your eyes - Kapitel 16

Erstarrt beobachtete ich meinen Vater, in meinem Hals bildete sich ein massiver Kloß, der immer fester zu werden schien.
»Ist das euer Ernst?« presste ich noch so gerade hervor, ehe dieser mir die Stimme ganz abschnürte. Meine Mutter lies sich auf den Stuhl fallen und sah betroffen zu Boden. Die Blicke meines Vaters hingegen lagen weiterhin eiskalt auf mir.
»Nimm Vernunft an Alexa, was für eine Zukunft hätte ein Kind, welches ausgerechnet diese Gene in sich trägt? Du weißt doch selber, wie die Menschen hier vom Devil Eye denken!« Betreten blickte ich zu Boden. Ich versuchte diese Tatsache zu verdrängen. Für mich war es ein Lebewesen, wie jedes andere. Carver war immerhin auch ein umgänglicher Mensch, wenn man einmal unter seine Fassade geschaut hatte. Zwar unberechenbar aber friedliebend.
»Finden sie es richtig, ihre Tochter so runterzuputzen, nur aufgrund meiner Gene? Haben sie nicht den Mut, es mir selber ins Gesicht zu sagen? Oder fürchten sie sich etwa selber dermaßen davor?«, erklang Carvers Stimme. Augenblicklich drehte ich mich zur Türe und starrte meinen Liebsten an. Mittlerweile wieder in seinen Straßenklamotten gekleidet, lehnte er lässig am Türrahmen und sah abschätzend zu meinem Vater herüber.
»Mir ist bewusst, wie Menschen über mich denken. Das nur jeder 50. Mensch meine Gene akzeptiert und nicht fürchtet. In Alexa habe ich eben so jemanden gefunden und genau aus diesem Grund werde ich sie so leicht nicht aufgeben!« Meine Blicke schweiften zu meinem Vater herüber, der augenscheinlich mit sich rang nicht gleich laut zu werden. Immerhin kannten die beiden sich gerade mal dreißig Minuten und er fürchtete sich wirklich vor diesen Genen. Bereits als ich ein Kind war, warnte er mich davor. Warum genau konnte ich bislang nicht rausfinden.
»Ich werde meine Tochter nicht an deine verfluchten Gene verlieren! Ich werde nicht zulassen, dass Alexa das Gleiche geschieht wie deiner Mutter!«, erklang Vaters zornige Stimme. 



Stille legte sich in den Raum, die sich drückend um uns legte und eine ganze Weile so blieb. Lediglich Carvers Schritte, die auf den weißgoldenen Fließen trafen, hallten durch den Raum, bis letztendlich auch diese verstummten.
»Meine Mutter ist verrückt geworden, weil sie mit den Visionen während der Schwangerschaft nicht zurecht kam. Sie kannte die Gene meines Vaters nicht und ahnte daher auch nicht, was für Konsequenzen es mit sich zog. Ich selber werde auf Alexa achten und sorge dafür tragen, dass ihr nicht das gleiche Schicksal vorbestimmt ist.« Mit diesen Worten legte er eine Hand auf meine Schulter und festigte seinen Griff. Erleichtert atmete ich aus, mit ihm auf meiner Seite fühlte ich mich um einiges Stärker, als alleine gegen meine Eltern.
»Henri...tu etwas...ich will meine einzige Tochter nicht verlieren...nicht an soetwas«, hauchte meine Mutter aus, ihre Stimme kaum mehr als ein Windhauch, der durch die Küche flog.
»Diese verfluchten Gene haben deiner Mutter ihre beste Freundin genommen, willst du ihr allen Ernstes zumuten mit der Angst zu leben, dass diese ebenso dich von uns reißen könnte?« Eindringlich betrachtete mich mein Vater. Er suchte eine brüchige Stelle in meinen Handlungen, hoffte auf das, was er Vernunft nannte, doch für mich wäre es ein Schritt gegen meine Gefühle gewesen und diesen wollte ich nie wieder machen. Die letzten Monate hatte ich oft genug gespürt, was es heißt nicht das zu haben, was man bei sich braucht.

»Geben sie mir die Möglichkeit ihnen zu beweisen, dass ich Alexa mit meiner Gabe beschützen kann. Mein Vater wusste nicht mit dieser umzugehen, doch ich habe es gelernt.«, konterte Carver für mich, selbst er schien bemerkt zu haben, dass mir langsam die Argumente gegen meine Eltern ausgingen. Erleichtert lehnte ich mich gegen ihn und hoffte, dass unsere offensichtlichen Gegener endlich ein einsehen finden würden. Nur einmal sollten sie meinen Entscheidungen vollstes Vertrauen schenken, auch wenn sie nicht damit rechneten, dass es gut ausgehen würde.
»Mum, Dad, gebt ihm eine Chance. Er ist schwer in Ordnung und würde über Leichen gehen, nur um ihr die Sterne vom Himmel zu holen.« Sofort drehte ich mich zur Türe und starrte meinem älteren Bruder entgegen, der lässig in der Türe stand und sich das Geschehen ansah. Wahrscheinlich verfolgte er das Gespräch schon etwas länger. Meine Eltern drehten sich ebenfalls in Erics Richtung und betrachteten ihn.
»Ich hätte ihn letzte Nacht nicht reingelassen, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, dass er der richtige für sie ist«, verdeutlichte er seinen Standpunkt noch genauer und erst nach diesen Worten lichtete sich Vaters gereizter Ausdruck.
»Ich will über jeden Schritt informiert werden den du machst, jeden einzelnen. Bei jeglichem Ultraschall wirst du mir ein Bild schicken. Sobald irgendwas nicht stimmt, und sollte es nur Übelkeit sein, will ich dich beim Arzt wissen«, sprach mein Vater nach einer längeren Überlegungspause. Ein Seufzer entglitt mir, während ich eifrig nickte. Ohne Eric wäre die Situation längst noch nicht entschärft. Ich wusste, dass ich dies nur seinen Worten zu verdanken hatte.
»Du wirst auf Alexa achten«, sprach er nun in die Richtung meines Bruders, der ebenfalls kurz nickte, worauf sich Vater wieder zu mir und Carver drehte.
»Und du, Bürschchen«, fing er an, trat ein paar Schritte auf uns zu und blieb unmittelbar neben uns stehen, um seinen Satz zu Ende zu sprechen.
»Sollte meiner Prinzessin auch nur ein Haar gekrümmt werden, kannst du dich nach einem guten Anwalt umsehen. Ich werde dich auseinandernehmen, so dass du nicht mehr weißt, ob Tag oder Nacht ist!«
»Jawohl Sir«, entgegnete Carver meinem alten Herren, bevor sich dieser wieder zu meiner Mutter umdrehte. Sie schien weiterhin sichtlich gegen diese Bindung zu sein, doch wer sollte es ihr verübeln. Bevor meinen Eltern jedoch noch ein weiteres Thema einfiel, stand ich auf, fasste Carvers Hand und zog ihn raus, immer in Richtung meines Zimmers, stur die Treppen hinauf.

Dort angekommen ließ ich mich erleichtert auf mein Bett zurückfallen, der Morgen hatte mir bereits sämtliche Kräfte geraubt und es war gerade mal Mittag.
»Ruh dich ruhig aus Babe«, hauchte Carver und zog mich an sich. Sofort lehnte ich meinen Kopf an seinen muskulösen Brustkorb und lauschte seinem Herzschlag.
»Wieso hast du gekämpft?«, kam es unbedacht aus mir heraus. Augenblicklich schloss ich meine Augen, den ich rechnete damit, dass er in Rage geriet. Nach wie vor ging ich von der Annahme aus, dass dieser nicht gut auf Gefühle zu sprechen war.
»Ich meinte ernst, was ich gestern sagte. Ich will dich Alexa, unseren Sohn und dich! Hätte ich nicht gekämpft und alles so weiter gehen lassen, wie es bislang in meinem Leben war, würdest du mir diese Aussage niemals glauben«, hauchte er sanft in mein Ohr und strich weiterhin beruhigend über meinen Arm. Lächelnd drückte ich mich noch ein Stück näher an ihn. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er die Aussage von gestern im Wald noch einmal wiederholen würde. Vielzutief lagen die schmerzenden Erinnerungen der letzten Monate und dennoch stimmte es mich umso glücklicher, dass er weiterhin dazu stand.

»Alexa?«, hauchte Carver und strich behutsam mit seiner Hand über meinen Arm auf und ab. Vorsichtig öffnete ich die Augen, der Raum wurde bereits von der Dämmerung eingenommen. Ich nickte leicht, um ihm zu zeigen, dass ich seinen Worten lauschte, schloss jedoch wieder meine Augen.
»Bitte, lass mich zu Ende reden, bevor du dich aufregst. Ich will mich erst erklären können«, sprach er weiter, bevor er seine Hand auf meinem Oberarm zum liegen brachte und mich feste an sich presste. Einige Augenblicke verharrte er in dieser Position, bevor er tief Luft holte.
»Es ist gefährlich, wenn herrauskommt, dass wir wieder liiert sind. Ich will nichts lieber als bei dir bleiben und vor deinen Eltern möchte ich auch weiterhin als dein Partner darstehen«, Carver schwieg einen Moment, der plötzliche wechsel seiner Stimme ließ mich hart schlucken. Mein Herz schmerzte bei dem Gedanken, was er gerade sagen wollte. Auch ohne, dass er es aussprach ahnte ich, was er mir sagen wollte.
»Lass uns vor den Scorpions weiterhin so tun, als seien wir immer noch getrennt. Ich will dich nicht irgendwo mit reinziehen. In unserer Mitte ist ein schwarzes Schaf, doch frag mich nicht wer, sonst hätte ich mich nie von dir getrennt.«
»Lilly«, hauchte ich fast schon schmerzhaft aus, bevor ich mich abrupt aufsetzte und ihn anstarrte. Erst jetzt wurde mir bewusst, was er da genau gesagt hatte. Die Vision, die ich von Lilly und Blake hatte ergab auf einmal einen Sinn und nichts wäre mir lieber, als Carver seine gänzlichen Ängste zu nehmen.
»Wie kommst du auf Lilly?«, erklang seine Stimme in meinen Ohren, doch ich nahm sie nur beiläufig wahr. Sein erster Satz hallte immer wieder in meinem Ohr ‚Lass uns weiterhin so tun, als seien wir getrennt‘.
»Alec, bitte. Ich liebe dich wirklich. Nichts wäre mir lieber, als eine normale Beziehung mit dir zu führen, doch ich habe Angst...«, seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
»Wieso?«, brachte ich gerade so hervor, bevor Carver seine Hände auf meine Wangen legte.
»Vertrau mir...«, hauchte er aus und schon schloss ich wie von selbst meine Augen.

Die vorher herrschende Wärme war urplötzlich verschwunden, eine eisige Kälte umfing meinen Körper und ließ mich schaudern. Sofort schlang ich meine Arme um meinen Körper und rieb sie schnell über meine Seite. Das bisschen Wärme, dass ich so erzeugte, verhalf mir wieder klare Gedanken zu fassen. Augenblicklich öffnete ich die Augen und sah mich um. Ich fand mich in einer Gasse wieder, jedoch war es so dunkel, dass ich nicht erkennen konnte, wo genau ich mich befand. Mein Atem war deutlich sichtbar und gerade das einzige, was ich vor meinen Augen sah. Erst einige Momente später hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und ließen mich das Geschehen erkennen. An eine dunkle Wand gelehnt stand ein junger Mann mit stattlicher Größe, allerdings hielt er sich im Schatten auf, so dass ich ihn nicht erkennen konnte. Hinter mir ertönten schnelle Schritte und ließen mich herumfahren. Schon konnte ich mir selber entgegen sehen, wie ich eilig durch die enge Gasse schritt. Erst, als ich bei diesem Mann ankam wurde ich ausgebremst.
»Er wird dich nie wiedersehen!«, hallte eine zorndurchzogene Stimme durch die Enge und hallte an den Wänden zurück. Augenblicklich folgte ein lauter Knall der die Dunkelheit durchbrach, gefolgt von einem Aufschrei am anderen Ende der Gasse. Erstarrte schaute ich mir das Geschehen an, wie mein anderes Ich seine Hand hob und auf seinen Brustkorb legte, die Hand wieder ein Stück anhob und erschrocken auf diese starrte. Bis ihr die Beine einsackten und sie hart mit den Knien auf dem Boden aufprallte.
»ALEXA!«, halte Carvers Stimme durch die dunkle Gasse. Eine Träne rann über meine Wangen und während ich sie wegwischte spürte ich wieder Carvers Hände auf meinem Gesicht.

»Das war die Vision, welche mich seit unserer ersten gemeinsamen Nacht heimsucht. Ich konnte es nicht verhindern, in dem ich keine Beziehung mit dir eingehe, nicht, solang ich mich bei dir aufhalte. Die einzige Möglichkeit sie gänzlich zu ändern, ist dich nicht wiederzusehen...«, Carver lehnte seinen Kopf an meinen und umschlang meinen Oberkörper mit seinen Armen. Mein Herz rasste, ich fürchtete mich davor, dass er erneut einen Rückzieher machte. Erst, als ich mich wieder gefangen hatte, legte ich meine Arme ebenfalls um ihn und presste mich somit gänzlich in seine starken Arme.
»Ich habe Angst dich zu verlieren, Alexa«, hauchte er mit zitternder Stimme aus. Wenn er mir die Vision nicht gezeigt hätte, würde ich mich wundern, ob dieser Mann vor mir wirklich der Carver ist, den ich kannte. Diese ängstliche Art passte gar nicht zu dem sonst selbstsicheren Mann, den ich bislang kannte.
»Ich habe mehr als einen Weg gesucht, eine Lösung zu finden. Selbst Mason versuchte ich mit einzubeziehen.« Nickend folgte ich seinen Aussagen, er konnte nur den Tag im Krankenhaus meinen, es war das einzige Mal, dass die Männer meines Wissens nach ungestört miteinander redeten.
»Wenn du so viel Angst hast und keine Lösung findest, wieso kämpfst du dann jetzt?«, stellte ich die Frage genauso schnell, wie sie durch meinen Kopf ging. Augenblicklich presste mich Carver noch fester an seinen Körper. Seine Hand strich behutsam über mein Haar, ehe er sich wieder zu Worte meldete.
»Ich kann nicht so tun, als wärst du mir egal. Innerlich drohte ich daran zu zerbrechen, dich einfach von mir zu stoßen und doch bleibt mir weiterhin keine andere Wahl.«

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