Mittwoch, 10. Oktober 2012

behind your eyes - Kapitel 19

In einem kleinen Lagerraum ließ er mich letztendlich los. Sofort drängte ich mich in die Ecke, die am weitesten von ihm entfernt war, und fixierte ihn mit meinen Augen. Jede Regung, die seinerseits kam, ließ meinen Körper erstarren.
»Seit unserer letzten Begegnung hast du gut an Gewicht zugelegt«, drang die hämische Stimme Blakes durch die Halle und schallte an den Wänden zurück. Augenblicklich jagte sie mir eine Gänsehaut ein. Ich zitterte am ganzen Leib, allein die Angst darum, was als Nächstes folgen würde hätte gereicht, doch auch die Kälte, die in diesem Raum herrschte, veranlasste mich dazu.
»Ich hätte nie gedacht, dass Jaden ausgerechnet deinem Ex euer neues Verhältnis auf die Nase bindet. Ihm hätte bewusst sein müssen, dass genau das diese Situation auslöst.« Starr fixierte ich meinen Gegenüber. Ein höhnisch Grinsen überzog seine Mundwinkel und wurde bei jedem Wort breiter. Zu allem Überfluss begann er nun auch noch einige Schritte auf mich zu zu gehen. Augenblicklich drängte ich mich dichter an die kalte Wand und presste meine Lider aufeinander. Die Angst übermannte mich, doch der Gedanke das meinem Baby etwas passieren könnte, wäre schlimmer.
»Ich frag mich, wieso du bei ihm bist, wenn das Kind von Mason ist«, hauchte er in mein Ohr. Erschrocken riss ich die Augen auf und starrte ins Leere. Die Nähe dieses Mannes jagte mir solch einen Schauer ein, dass ich nicht einmal seinen Worten folgte. »Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass er dich freiwillig zu uns fahren würde.« Sein warmer Atem drang auf meine Haut, welche sich sogleich zusammenzog. Krampfhaft legte ich meine Arme um meine Wölbung. In diesem Moment war mir egal, was passierte, solange dem Kind nichts geschah.
»Mason hat uns reingelegt. Das Balg ist von Carver!«, ertönte die piepsige Stimme meiner wohl größten Feindin. Augenblicklich verdrängte ich die Nähe meines Entführers und wandte mich zu Seite. Schon erblickte ich ihr blitzenden kristallblauen Augen im Eingang. Lässig fuhr sie mit einer Hand durch ihr Haar und machte einige Schritte auf uns zu. Blake löste sich sogleich von mir und ging ihr entgegen. So wie er bei ihr ankam, schlang sich ihr Arm um seinen Nacken und zog sein Gesicht an ihres.
»Was würdest du nur ohne mich machen?«, sprach sie verführerisch aus und presste ihre Lippen auf seine. So schnell sie ihn geküsst hatte, entfernte er sich von ihr. Blake betrachtete sie eher abschätzend.
»Die Informationen von anderen besorgen lassen. Dein Vorteil liegt lediglich darin, dass deine Argumente etwas schlagkräftiger sind, als die eines Mannes. Es gibt nicht viele Männer, die eine Frau abwimmeln, wenn sie sich einem förmlich um den Hals wirft.« Dieser Satz verdunkelte ihren Blick, aber sie trafen genau das, was Lilly war. Ein billiges Flittchen, das nicht mal halt vor verheirateten Männern machen würde. Ohne ein weiteres Wort ging Blake aus dem Raum und ließ mich allein mit ihr zurück. In diesem Moment fragte ich mich, was schlimmer war, er oder sie. Beide schienen nicht wohlgesonnen.

»Eric sollte nach dem Sex darauf achten alles mitzunehmen. Es war so leicht ihn um sein Handy zu erleichtern, nachdem er hemmungslos über mich hergefallen ist. Aber ich muss sagen, Carver war weitaus reizvoller«, drang Lillys Stimme zu mir durch. Abrupt riss ich die Augen auf und starrte sie an.
»Was glaubst du, wo er heute Mittag war? Ich hab ihn angerufen, ihn angefleht vorbei zu kommen ich würde mir sofort das Leben nehmen, wenn er es nicht tat. Er wusste genau, dass es gegen ihn ausgelegt werden würde. Eifersüchtiger Exfreund nimmt Rache an seiner Verflossenen, weil sie ihn mehrfach betrogen hat. Niemanden hätte die Wahrheit interessiert, die meisten wollen ihn hinter Gittern sehen. Sie fürchten sich doch alle vor seinem Fluch, der sich in seinen blutroten Augen verdeutlicht.« Ich spürte, wie sich mein Herz verkrampfte. Carver hätte mir das niemals angetan und dennoch klangen ihre Worte plausibel. Schon einmal schenkte ich einem Mann mein vollstes Vertrauen und auch dieser war auf diese falsche Schlange eingegangen. »Ich habe ihm ein verlockendes Angebot gemacht und soll ich dir etwas sagen, Kleines?« Kräftig schüttelte ich den Kopf, ich wollte ihre Stimme nicht weiter hören, nicht wenn sie so über den Mann redete, den ich mehr als alles andere liebte und dem ich vertraute. Ein leises Lachen drang von ihr herüber, während sie unsere Distanz minimierte.
»Er hat es genossen mich unbeherrscht ranzunehmen und das, sooft er wollte. Keine Sekunde gingen seine Gedanken um dich, nein, dafür war er viel zu beschäftigt, sich bei mir das zu holen, was du ihm nie bieten kannst. Bedingungslose Leidschaft ohne Konsequenzen für irgendwas tragen zu müssen.« Jedes Wort brannte sich tief in meinen Körper und hinterließ einen erdrückenden Schmerz. Ich wusste nicht, ob sie die Wahrheit erzählte, aber die Ungewissheit lag weitaus schlimmer. Eigentlich kannte ich Carver nicht wirklich. Woher sollte ich wissen, ob er nicht solch ein Mann war? Langsam zweifelte ich an meinem Glauben. Er war auch nur ein Mensch und nicht fehlerfrei. Obendrein hatte er Angst davor, dass unsere Beziehung außerhalb bekannt wurde. Erst die Regung meine Babys ließ die Gedanken verschwinden. Keuchend legte ich eine Hand auf meinen Bauch, schloss die Augen und lehnte meinen Kopf gegen die Wand. »Kannst du dir vorstellen, wie er seinen harten Schwanz begierig in mich gestoßen hat? Wie er mich wild in den Höhepunkt getrieben hat, oder wie seine warme Flüssigkeit sich in mir verteilt hat?«, wisperte sie mir ins Ohr.
»Aber weißt du, der beste Moment war, als er sich tief in mir ergoss und mir seine Liebe schwor.« In meinem Hals bildete sich ein Kloß, unnachgiebig und fest, jedes Wort, das ich versuchen würde herauszupressen, würde von diesem im Keim erstickt werden.

»Lil, es reicht!«, herrschte Blake und schnitt ihr so das Wort ab. Nie war ich so froh diese Stimme zu hören, wie in jenem Moment. Ich wusste nicht, wie lang ich diesen Erzählungen hätte standhalten können. Langsam entfernte sie sich von mir und ging durch die Halle. Ich folgte ihr keines Blickes, sondern starrte einfach ins Leere, während sich meine Gedanken überschlugen. Erneut zitterte ich, noch stärker als zu vor. In mir baute sich der Wunsch auf, dass all dies nur ein Traum wäre, oder eine Vision. Alles wäre besser, als mich dieser Situation weiter auszuliefern. »Er hat aus ihr das gemacht, was sie ist. Sie liebte ihn wirklich und er achtete sie nicht einen Moment. Soweit ich weiß, hat er damals nicht einmal die Hand an sie gelegt.« Mein Blick fiel auf Blakes Gesicht. Unmittelbar vor mir hockte er auf dem kalten Boden und schaut auf mich herab.
»Ich dachte das Kind sei Masons, er hat es immer wieder beteuert. Ich hätte dich nicht mitgenommen, wenn ich es vorher gewusst hätte«, hauchte er leise aus, wandte sich aber nicht einen Moment von mir. Erstarrt folgte ich seinen Worten, die eher nebenbei zu mir durchdrangen. Ich hatte keine Ahnung, was ich noch glauben sollte. Vorsichtig legte er seine Hand auf meine, die weiterhin auf meinem Bauch ruhte. »Dir wird nichts passieren, das verspreche ich.« Seine Stimme strotze nur so vor Überzeugung. Nicht ahnend, was er damit bezwecken wollte, lehnte ich mich näher an die Wand.
»Warum ich?«, fragte ich leise. Es war das erste Mal, dass ich etwas ausgesprochen hatte, seit wir bei Carver waren.
»Ich brauchte dich nur, um ihn herzulocken. Wenn ich gewusst hätte, dass es sein Kind ist, wäre ich andere Wege gegangen. Das macht die ganze Situation nur schlimmer.« Ich nickte leicht, obwohl seine Worte weiterhin an mir vorbeizogen, als seien sie Luft. Nur Bruchstücke schafften es in meinen Verstand. Behutsam hob er meine Hand weg und legte nun seine an die Stelle.
»Was wird es?«, hauchte er aus, als seine Finger über den Stoff strichen. »Ein Junge, Aiden soll sein Name werden«, flüsterte ich ebenfalls und keuchte abrupt auf. Ein leichtes Lächeln spiegelte sich auf Blakes Lippen wieder, als er die Bewegung des Babys spürte.
»Er wird später Fußballer und hat das Glück eine fabelhafte Mutter zu kriegen. Ich hoffe du wirst meinem Neffen die Liebe schenken, die Carver nie spüren durfte.« Verwirrt betrachtete ich ihn bei den Worten. Blake war demnach Carvers Bruder. »Wir sind Zwillinge, ich bin 2 Minuten älter«, erklärte er, nachdem er die Verwunderung in meinem Gesicht gesehen hatte. Dennoch stellte sich mir die Frage, wie er auf einmal so freundlich sein konnte, wo er mich heute Mittag noch eiskalt hinter sich herzog.
»Auch wenn es viel verlangt ist, vertrau mir nur dieses eine Mal«, hauchte er kaum vernehmlich aus. Sein Atem drang hauchzart auf mein Gesicht, während sich seine Hand auf meine Wange legte und er sachte mit seinem Daumen über meine Haut fuhr. Vorsichtig näherte er sich mir und bedeckte meine Lippen langsam mit seine. Ich setze an ihn von mir zu drücken, doch genau in dem Moment spürte ich, wie mich eine schwarze Leere umhüllte und mich in sich einsog.

Außer Atem riss ich die Augen auf, als ich seine Berührung nicht mehr spürte, und sah mich direkt um. Die Gegend war trist und alles wirkte so betrübt. Vor mir erstreckte sich ein Haus, etwas abgelegen vom Ort. Langsam ging ich auf den Garten zu, irgendetwas zog mich förmlich an. Die massive Haustüre stand weit offen und enthüllte mir den Blick auf einen großen Eingansbereich. Am Ende lag eine Treppe. Mein Blick wurde darauf gefesselt. Wie in Trance durchbrach ich den Abstand und folgte den Stufen in den ersten Stock. Ein langer dunkler Gang erstreckte sich am Treppenabsatz. Lediglich ein leichter Lichtschein drang von einem Zimmer am Ende in die Dunkelheit. Vereinzelnd traten schmerzerfüllte Schreie in den Korridor und schallten an dessen Wänden wieder. Die Neugier führte mich wie von Geisterhand entlang, immer weiter, bis ich vor der Eichentür anhielt und meine Hand auf dem kühlen Holz ablegte. Lediglich durch einen Türspalt konnte ich in den Raum sehen, aus welchem der Lärm drang.
»Nur wegen dir wurde sie verrückt! Es ist deine Schuld, dass sie ihren Lebenswillen verloren hat. Du und diese verfluchten Augen!«, drang die hasserfüllte Stimme eines Mannes bis zu mir durch. Sofort durchzog sie meinen Körper und ließ mich erschaudern. So viel Hass in einer Tonlage war ich nicht gewohnt. Ich kannte es nicht einmal.
»Du bereitest uns nur Schande, jeder spricht schon über dich. Du kannst nicht mein Sohn sein, du bist eine Ausgeburt der Hölle! Diese Augen, diese dämonische Farbe, sieh mich niemals mit diesen an!«, hallte es durch die Räume. Entschlossen drückte ich die Tür einen Spalt weiter auf, so dass ich hindurchpasste und in das Zimmer ging. Vor mir erstreckte sich ein schauriges Bild. Ein Junge, etwa in der Hälfte seiner Pubertät, lehnte mit dem Gesicht zur Wand. An seiner Haltung konnte ich den Schmerz fühlen, der durch seinen Körper zog. Hinter ihm stand ein stämmiger Mann, Mitte vierzig würde ich auf Anhieb sagen. In seinen Augen lag ein unbeschreiblicher Hass, als er den Burschen vor sich fixierte. Erst dann bemerkte ich die offenen Wunden, die den Rücken des Teenagers verzierten und sich schmerzhaft an diesem herabzogen. Erschrocken schob sich meine Hand vor den Mund, während ich die Luft stark einzog. Unerwartet fuhr der Junge herum, sein Blick fiel direkt in meine Richtung. Die starren roten Augen durchfuhren meinen gänzlichen Körper, dies musste Carver sein.
»Verschwinde!«, spie er aus, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel und ich schockartig um meine eigene Achse fuhr.

Doch widererwarten erblickte ich nicht die Tür. Vor mir erstreckte sich eine dunkle Straße. Kalt und schwül war die Luft, während leichter Nieselregen auf die Erde herabfiel und meiner Kleidung einen feuchten Schauer einbrachte. Ich drehte mich suchend in der Gegend umher. Völlig ratlos ahnte ich nicht im geringsten, wo ich gerade war. Schon senkte sich mein Blick auf mein Handgelenk. Die Uhr zeigte an, dass es bereits zweiundzwanzig Uhr war. Kurz fuhr mein Blick auf die Straße, nur um danach wieder den Weg zu den Zeigern zu finden. »Verdammt, wo bleibst du?«, hauchte ich leise aus, wunderte mich jedoch, dass meine Stimme anders klang. Ein weiteres Mal erhob ich meinen Blick. Besorgt starrte ich in die Dunkelheit. Ein dunkles Licht erschien am Ende der Straße und fuhr geradewegs auf mich zu, erschrocken sprang ich auf, nachdem ich den Schimmer als Scheinwerfer enttarnen konnte. »Komm ruhig her!«, schrie ich, als könnte der Entgegenkommende mich hören und wieder erklang aus meiner Kehle eine männliche Stimme. Immer weiter kam der Scheinwerfer auf mich zu, schon konnte ich ein Motorrad ausmachen. Vorsichtig betrat ich die Straße und blickte an mir hinab. Vollkommen in Schwarz gekleidet verhüllt mich die Nacht in ihrem Schatten. Erst dann bemerkte ich, dass dem Motorradfahrer keine Wahl bleiben würde, als seine Maschine herumzureißen, damit er mich nicht traf. Unentwegt steuerte das Motorrad auf mich zu. Erst im letzten Moment wurde es weggezogen. Augenblicklich kippte es zur Seite und überschlug sich samt Fahrer, ehe es über den steinigen Boden schlitterte. Einige Meter zog es seinen Führer mit und blieb dann abrupt liegen, als sei nie etwas gewesen. Aus der Ferne drang ein weiteres Licht, doch schon erklang ein dunkles Lachen aus meiner Kehle und durchzog die Straße.
»Du hast es nicht anders verdient, Jaden. Deine Augen sind vom Teufel, niemand hat das Recht die Zukunft zu sehen!« Diese Stimme, es war eindeutig Blakes. Langsam schritt die Straße entlang, fixiert auf den Punkt am Boden, auf dem sich der Fahrer des Motorrads krümmte. Langes blondes Haar drängte sich unter dem Helm hervor. Sofort sackte ich auf die Knie und zog den verkrampften Körper auf meinen Schoss.
»Lil?«, spie ich entsetzt aus, während ich den Helm vorsichtig von ihrem Kopf entfernte.
»Verzeih Travis, ich konnte es nicht...«, hauchte sie leise, bevor ihr Gesicht zur Seite kippte. Das quietschende Geräusch von Bremsen durchzog die Stille. Neben mir hielt ein weiteres Motorrad. Ohne den Helm abzuziehen, drang die eiskalte Stimme Carvers zu mir durch. »Versuch nicht mich umzubringen, wenn du nicht selber dein Leben riskieren willst.«

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