Mittwoch, 10. Oktober 2012

behind your eyes - Kapitel 18

Es war ein warmer Tag im Herbst, als ich durch die Geschäfte streifte und neue Kleidung besorgen wollte. Mein Bauch war deutlich sichtbar geworden, jetzt war es so weit, dass ich den Umstand nicht weiter verschweigen konnte. Carver war mehr als stolz auf seine geleistete Arbeit und ließ auch keinen Moment verstreichen, mir das mitzuteilen. Außer es war ein Treffen der Scorpions. Eigentlich wollte er, dass ich mich davon fernhielt, aber das lies ich mir nicht verbieten und so nahm mich Eric jedes Mal mit. Es war ein komisches Gefühl, in den Kreis zutreten und so zutun, als hätte sich nichts geändert. Carver verbrachte die Treffen mit den anderen, während ich die Zeit totschlug und mich mit irgendwem unterhielt. Lediglich die Rennen durfte ich nicht mehr besuchen. In dem Punkt waren sich Carver und mein Bruder einig. Da diese illegal waren, sollte ich mich davon fern halten. Sollte einmal die Polizei auftauchen, würde mir der Stress der Ermittlungen ersparrt bleiben. Schweigend starrte ich ein Kleid an, welches im Schaufenster hing. Bordeauxrot, kurzer Schnitt und figurbetont. Es gefiel mir gut, irgendwo ärgerte es mich gerade, dass ich so etwas mit meiner Kugel nicht tragen konnte. Der fünfte Monat machte sich wirklich bemerkbar. Doch der Gedanke an den Jungen, den wir kriegen würden ließ mich erleichtert über diesen Umstand hinweg sehen. Langsam schlenderte ich zum nächsten Geschäft, als sich mein Handy urplötzlich zu Worte meldete. Eine Nachricht von Eric.
Wir brauchen dich, wo steckst du?
Erschrocken betrachtete ich mein Handy, was wohl geschehen war, dass Eric mir solch eine Nachricht schickte? Eilig wählte ich seine Nummer in die Tastatur und hob ab, dass er auch nie anrufen konnte, wenn es wichtig war. In der Leitung klingelte es vielleicht zwei Mal, als ich weggedrückt wurde. Irritiert nahm ich das Handy runter und starrte es an. Wieso schrieb er mich an, wenn er mich dann wegdrückt?
Ich kann nicht reden, schreib mir einfach, wo du bist, Mason holt dich!
Jetzt war ich erst recht verwundert, ließ mich trotzdem nicht davon abhalten ihm zu antworten. Schnell tippte ich meinen Standort in die Tasten, ohne weitere Fragen zu stellen. Er wüsste schon, was er machte. Immerhin stand er mit beiden Beinen fest in der Realität.
Geh bis zum 418, in 10 min wirst du abgeholt
Das 418 war eine kleine Halle, etwas abgelegen von der City, dennoch ziemlich zentral. Zumeist diente es uns als Treffpunkt, wenn wir die Stadt unsicher machen wollten, ansonsten stand das Gebäude fast immer leer. Irgendwann war hier mal eine Tanzschule drin, doch diese lief nicht so gut und nun vermietete man die Halle für irgendwelche Veranstaltungen. Schnell eilte ich die Straße hinunter, es waren nur ein paar Meter, die mich vom Ziel trennten, aber es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit.

Erst als Mason eintraf, bekam ich für einen Moment ruhe, doch im selben Augenblick überkam mich die Angst, das irgendwas mit meinen Eltern sein würde. Wieso sollte Mason mich sonst holen?
»Was ist passiert?«, fragte ich aufgebracht und starrte meinen Exfreund an. Ohne Worte drückte er mir den Helm in die Hand und mir wurde bewusst, dass die ganze Situation dringend war. Schnell zog ich den Helm über meinen Kopf und setzte mich hinter ihn. Sofort drehte er seine Maschine und fuhr an. In störte es nicht einmal, dass ich mich nicht richtig festgehalten hatte und beim ersten Ruck drohte runter zu fallen.
»Blake ist mit ein paar seiner Leute im Treff aufgetaucht. Carver war alleine. Sie haben ihm übel zugesetzt und jetzt will er noch ein Rennen gegen ihn fahren. Du musst ihn davon abbringen, das ist purer Selbstmord!«, schrie Mason. Erschrocken von seinen Worten spürte ich wie mein Herz schneller schlug. Ich umklammerte ihn erneut, da ich aufgrund des Satzes lockerer gelassen hatte, und starrte stur gerade aus.
»Wieso war Blake da?«
»Ach keine Ahnung, irgendwas Privates. Du kennst ihn, er klärt mich nicht auf«, sagte Mason und fuhr scharf um eine Kurve. Augenblicklich verkrampfte ich mich in seinem Hemd und presste die Lider zusammen, ich hasste es, wenn er so fuhr.

Ich spürte den Fahrtwind, der meine Wangen sanft streichelte, und riss abrupt die Augen auf. Die Straße vor mir war dunkel, lediglich zwei oder drei kleine Lichtquellen waren ziemlich weit entfernt vor mir. Ich starrte starr auf die Straße und legte mich leicht in die Kurve, der Bock unter mir fing an zu ruckeln, augenblicklich streifte mein Knie den kalten Asphalt und riss meine Hose auf. Der Schmerz, der sich durch mein Bein zog, ließ mich scharf die Luft einziehen, ich musste einen klaren Kopf bewahren, sonst würde ich vom Motorrad fallen. Irgendwas brachte mich dazu, einfach weiter zu fahren, nicht anzuhalten. Mir war bewusst, dass ich die Lichter erreichen musste, auch wenn ich den Grund nicht kannte. Langsam beugte ich mich nach vorne und verringerte den Windwiderstand, damit ich noch schneller voran kam. Ein Blick auf das Tempometer verriet mir, dass ich bereits bei zweihundert km/h angekommen war. Mein Bein fühlte sich taub an, der Schmerz, welcher von meinem Knie hochzog, war wie weg, dafür hatte ich das Gefühl, ich könnte es nicht mehr bewegen. Die Lichter wurden immer größer, ich konnte erkennen, dass sie ebenfalls von Motorrädern kamen. Aus einem mir unbekannten Grund zogen sie mich immer weiter in ihre Richtung. Kurz bevor ich sie erreicht hatte ruckelte die Maschine erneut, doch stärker als zu vor. Es kam vom Vorderrad. Mit Gewalt versuchte ich den Bock zuhalten, doch genau in diesem Moment zog sie nach rechts weg. Der harte Aufprall auf dem Asphalt ließ mich aufschreien. Einige Meter schilderte ich über den Boden, drehte mich zwei, drei Mal um meine eigene Achse und hatte das Gefühl, jeder einzelner meiner Knochen wäre gebrochen. Dieser Schmerz durchzog unaufhörlich meinen Körper. Urplötzlich blieb ich auf dem Asphalt liegen, regungslos und merkte, wie mein Bewusstsein davon schwand. Das einzige, was ich noch vernahm war eine Stimme, einen schwachen Hauch
»nicht jetzt...«

Mein Herz raste in meinem Körper, während meinen Lippen ein schriller Schrein entglitt.
»Was ist los Alexa?«, drang Masons Stimme zu mir und augenblicklich registrierte ich, dass ich immer noch auf seiner Maschine saß. Meine Körper wurde von einem feuchten Schauer übersät, der durch den Fahrtwind meine Haut abkühlte.
»Nichts weiter, ich hab mich nur gerade an etwas erinnert«, sprach ich aus um Mason zu beschwichtigen. Was sollte ich ihm auch sagen? Das ich Visionen durch das Baby bekam? Wobei sich mir die Frage auftat, ob es überhaupt eine war. Es fühlte sich so realistisch an. Die Schmerzen, die ich gespürt hatte, lagen immer noch in meinem Körper. Mason stoppte seine Maschine und drehte sich zu mir.
»Alexa, sag mir die Wahrheit, was war los? Du bist kreide bleich!« Ich schüttelte leicht den Kopf, während ich mir das Gesehene nochmal durch den Kopf gehen ließ. Wer war die Person auf der Maschine? Starr lagen meine Blicke auf Masons Rücken, ich konnte nicht wegsehen, die Gedanken an das was eben gewesen war, waren zu fesselnd. Mason merkte, dass ich nicht mit ihm darüber reden wollte, folglich fuhr er wieder an und legte das letzte Stück bis Carver Haus zurück. Augenblicklich sprang ich von der Maschine ab und zog den Helm ab. Mason blieb auf dem Motorrad sitzen, während er seine Blicke zu mir wendete. Ohne ein Wort abzuwarten, machte ich mich auf den Weg zu Gebäude und hämmerte hart gegen die Türe. Erst dann fielen meine Augen auf die Umgebung. Nicht ein Motorrad war zu sehen, lediglich Mason, der seinen Blick starr auf mich gewendet hatte. Irgendwie kam mir die ganze Situation komisch vor. Ich drehte mich wieder zur Türe und klopfte ein weiteres Mal, lauter als zuvor. Erst das Geräusch des Anlassers der Blackbird stoppte mich in meinem Handeln. Schockartig fuhr ich herum, während Mason zurück zur Straße fuhr.

Die Tür öffnete sich einen Spalt und so schob ich sie gänzlich auf. Der ganze Raum war in Dunkelheit gehüllt, alle Fenster waren verdeckt, lediglich das Licht, welches aus meinem Rücken in den Raum fiel, schenkte mir ein bisschen Sicht. Immer mehr überkam mich das Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Langsam machte ich einen Schritt in den Raum.
»Carver?« Meine Stimme durchdrang die Stille im Zimmer, doch nirgends regte sich etwas. Zögerlich trat ich weiter in den Raum, während ich in meiner Tasche nach meinem Handy wühlte. Als Lichtquelle hielt ich es vor mir und trat noch einen Schritt weiter rein. Urplötzlich zog sich alles in meinem Körper zusammen, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Schockartig drehte ich mich um und schrie einen Moment auf. Erst als ich mich beruhigt hatte und mir mehrfach sagte, dass hier alles in Ordnung ist, konnte ich wieder klare Gedanken fassen.
»Carver, das ist nicht lustig, komm raus.« Das Zittern meines Körpers konnte ich nicht unterbinden, trotz des Gedankens, dass es lediglich mein Freund sein konnte, der sich hier einen miesen Scherz erlaubte, schaffte ich es nicht. Ein kaltes Lachen durchdrang den Raum. Es war eindeutig hinter mir. Hastig fuhr ich um meine eigene Achse, das Handy griff bereit, damit es mir Licht spendete, versuchte ich die Person vor mir zu erblicken. Mein Herz raste und jagte das Blut durch meinen gesamten Körper, doch im Schein des Handys war niemand zu sehen. Hastig bewegte ich das kleine Elektronikgerät durch die Luft, bis der Standbymodus anging und der Raum abrupt verdunkelte.
»Scheiße«, fluchte ich leise, drehte das Gerät zu mir und drückte auf die Tasten. Wieso hatte ich den Lichtschalter an der Tür nicht betätigt? Neben mir ertönte das Knarren der Bodenleiste, und bevor ich mich hätte regen konnte, wurde mein Arm feste umschlossen. Durch einen Ruck fiel mein Handy scheppernd zu Boden und ließ mich einige Schritte zurückgehen. Mein Arm schmerzte unter dem Griff, als ich bereits gegen die Wand gedrückt wurde.
»Carver, du tust mir weh!«, sprach ich aus, während ich mit meinem Arm vor mir herfuchtelte. Unter allen Umständen wollte ich versuchen ihn zu ergreifen. Abrupt streifte ich den Arm meines Gegenüber und fuhr daraufhin mit meiner Hand ein Stück zur Seite. Schon lag diese auf den Oberkörper, des Mannes, dem ich den wahrscheinlich größten Schrecken meines Lebens zu verdanken hatte. Unmittelbar spürte ich eine breite Narbe unter meinen Fingern. Die Person vor mir konnte nicht Carver sein. Noch nie hatte mein Freund ein Wundmal auf dem Brustkorb, lediglich der Rücken war von einigen überzogen. Ein leises Lachen drang zu mir durch, gefolgt von Worte, die meinen ganzen Körper zum Zittern brachten.
»Jaden ist nicht hier, er musste was erledigen.« Diese dunkle Stimme durchfuhr jede einzelne Zelle in meinem Körper.
»Blake«, hauchte ich aus und versuchte mich aus dieser Situation zu befreien, doch mit jeder Windung festigte er seinen Griff noch ein Stück, bis ich vor schmerz keuchte.
»Du kommst mit uns, Carver wird nachkommen.« Ruckartig drängte er mich zur Türe und zog mich raus.

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