Sonntag, 23. September 2012

let me be yours - Kapitel 3

Noch vollkommen perplex von dem vergangenen Geschehen versuchte ich meinen Körper wieder unter Kontrolle zukriegen. Erst als ich realisierte, was eigentlich passiert war, spürte ich, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. Doch abrupt wurde ich in die Realität zurückgezogen, als Daniel grob nach meiner Hand fasste und sich vor mir aufbaute. Die Anspannung durchzog mich, als ich über seine Schulter zu der Person sah, die uns entgegen kam. Auch wenn er den Störenfried bereits erkannt zu haben schien, tappte ich immer noch im dunklen, bis er auf einmal ins Licht der Laterne trat und mir sogleich die Spucke im Mund wegblieb. Vor uns stand Steve, welcher meinen Bruder mit abschätzendem Blick betrachtete.
»Du hast nichts gesehen«, erklang die eiskalte Stimme meines Bruders in der Stille und jagte mir abrupt einen schauer über den Rücken. Er war sprunghaft, was seine Emotionen betraf, aber nur sehr selten erlebte ich ihn so kalt mit einem Hass, der selbst mich erzittern ließ.
»Dan, es ist okay«, hauchte ich leise aus. Die Angst davor, seine aufbrausende Art könnte überhandnehmen und er dadurch mehr Probleme bekam, als ohne hin schon der Fall war, übermannte mich. Gänzlich davon abgesehen, dass unser Gegenüber zum Freundeskreis gehörte, wäre dies keine günstige Position für einen Streit, immerhin standen wir weiterhin in unmittelbarer Nähe des Polizeireviers. »Was bietest du mir fürs Schweigen?«, allein anhand seiner Tonlage konnte ich das Grinsen in seinem Gesicht vernehmen. Instinktiv verkrampfte ich meine Finger in Daniels Hemd. Diese Situation war mir nicht geheuer. Mein Bruder spannte seinen Körper an, während er seinen Gegenüber fixierte. Nicht einen Augenblick löste er seinen Blick von diesem. Abrupt merkte ich, wie sich Daniel ein Stück nach vorne bewegte. Sofort spürte ich wieder die Angst, ich wollte nicht, dass ihm etwas passierte, weder, dass er Verletzungen erlitt, noch dass ihn Gesetzeshüter erwischten. Zu meiner Verwunderung hielt er mitten in der Bewegung inne und drehte sich zum Polizeigebäude.

»Ich hätte wetten können, dass ihr euch bereits an die Gurgel gesprungen seit«, drang Rios Stimme aus der ferne in unsere Richtung. Noch nie war ich so froh, ihn zu hören, wie in diesem Moment. Erleichtert seufzte ich auf und lockerte meinen Griff, der sich bereits schmerzhaft durch meine Finger zog.
»Du solltest dich raushalten!«, zischte Daniel Steve entgegen, während er mich hinter sich hervorzog und seinen Arm schützend um mich legte. Gerade rechtzeitig hatte mein Bruder seinen Satz beendet, den in jenem Moment traf auch Rio bei uns ein und wechselten seine Blicke zwischen Daniel und seinem Bruder. Der ältere Latino erkannte augenblicklich die Situation, selbst ohne Worte ahnte er, was hier passierte. Sofort schwang er einen Arm um Daniels Hals, zog ihn zu sich herüber und wuschelte ihm durchs Haar.
»Los ab nach Hause, wenn wir noch länger warten, ist die Nacht vorbei und ich brauch mich nicht mehr hinlegen, bevor meine Schicht beginnt. Ash wird nachher zu Shane gehen. Mum würde uns umbringen, wenn sie davon Wind bekommt, dass ausgerechnet ihre Prinzessin in der Ausnüchterungszelle gelandet ist.« Kaum hatte er seinen Satz zu Ende geführt, drückte er uns um die Ecke. Mit einem tiefen Lachen hielt Steve meinen besten Freund in seiner Bewegung auf und hob seine Hand in desen Richtung, der nur kopfschüttelnd darauf antwortete.
»Ich hab gewonnen Alter, rück die Mäuse raus. Mir war klar, dass dieser Aufreißer nicht mal vor seiner Schwester halt macht. Er kennt wirklich keinerlei Moral!« Mit einem Blick zur Seite konnte ich direkt sehen, dass Steve zu weit ging. In Daniel nahm die Wut erneut überhand, dass dünne Eis auf dem sich unser Gegenüber befand, begann unter seinen Füßen zu brechen, ohne dass er es bemerkte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er Daniel mit Absicht provozierte.
»Hör auf so einen Schwachsinn zu verzapfen, die Kleine gehört bereits geraume Zeit zu mir, kapiert?« In diesem Moment durchdrang Rio den Abstand zwischen uns, fasste meine Hand und zog mich in seine Arme. Anfängliche vollkommen perplex lehnte ich mich dann doch an meinen besten Freund. Meinem Bruder passte diese Handhabung nicht, allein an seinem fortwährend festigendem Griff um meine Hand wurde mir genau dies bewusst, dennoch sagte er nicht auch nur ein Wort.
»Das kannst du erzählen, wem du willst, ich hab eben gesehen...«
»Was? Das er sie geküsst hat? Hast du Ashley noch nie geküsst?« Unterbrach Rio seinen jüngeren Bruder und strich mir dabei sanft über den Arm, bevor er mich voran drückte. Der Latino wusste genau, wann der Moment kam Steve in die Schranken zu weisen, bevor Daniel auf Ideen kam, die sicherlich nicht so wortreich aussehen würden. Ich war ihm auch unwahrscheinlich dankbar dafür, denn sonst wären die Situationen schon des Öfteren eskaliert. Wir liefen den langen Weg entlang, etwa ein einhalb Stunden stures geradeaus, bis wir an einem etwas abgelegenen Viertel ankamen. Einige Häuser reihten sich hier aneinander. Jedes mit einem großen Vorgarten, ein bis zwei Garagen und großem Garten hinter dem Haus. Dies war die Wohngegend der gehobeneren Gesellschaft und unser Wohnort seit der Kindheit. Die Curtis wohnten direkt auf der anderen Straßenseite unseres Heimes, folglich legten sie denselben Weg zurück. Die ganze Strecke redeten wir über den Ablauf des Abends, wie jedes Mal gab ich meinem älteren Bruder Tipps, was er verändern könnte. Langsam musste er wirklich seine Aggressionen in den Griff bekommen. Wie immer bejahte er meine Aussagen, aber daran halten würde er sich dennoch nicht. Diese Unterhaltung führten wir schon zum dritten Mal diesen Monat.

Nach einem endloswirkenden Weg kamen wir letztendlich zuhause an. Das weiße Haus, dass fast schon einer kleinen Villa glich, lag direkt in unserem Rücken. Einzig die Straße wurde vom seichten Licht der Straßenlaternen erhellt, während der Rest von der Dunkelheit eingenommen wurde. Mittlerweile war ich so müde, dass ich mich an Rio kuschelte und seine Wärme förmlich aufsog. Doch, als er mich zu sich drehte und seine Lippen ihren Weg zu meinen fanden, war ich schlagartig wach. Erstarrt betrachtete ich ihn mit aufgerissenen Augen, während seine Blicke beruhigend auf mir lagen.
»Bis Morgen, Mäuschen«, sagte er locker und schritt auf Daniel zu, den er sofort ein Stück auf Seite zog. Ich beobachtete die beiden, an dem Gesichtsausdruck meines Bruders konnte ich erkennen, dass das Gespräch mit seinem Gegenüber nicht erfreulich war. Erst als ich Steves Augenmerk auf mir spürte, drehte ich mich vorsichtig in seine Richtung und kämpfte mit mir selber, ihm nicht irgendwas an den Kopf zu werfen. 

»Das mit Rio und dir ist mir neu, seit wann seid ihr ein Paar?« Ich zuckte mit den Schultern und versuchte so lässig wie nur möglich zu bleiben. Mein eiskalter Blick ruhte auf meinem Gegenüber, während ich ihm monoton antwortete:
»Was geht es dich an? Du hast sowieso was gegen mich, vielleicht weißt du es deshalb nicht.« Ein kurzes, kaum merkliches Lächeln huschte über seine Lippen, worauf er sich in Rios Richtung drehte. Mir war bewusst, dass er wieder irgendwas in seinem Kopf ausheckte.
»Hey Dan, ich wette hundert Dollar, dass du deine Schwester heute knallst!« Augenblicklich fuhr mein Bruder herum, seine Blicke blitzten hasserfüllt auf, nur selten war es so schlimm. Dieses Mal hatte Steve das Fass wirklich zum Überlaufen gebracht. Rio umfasste Daniels Arm, doch es half nichts, er riss sich los und schlug unverzüglich nach meinem Gegenüber.
»Ich weiß selber, dass es sich nicht richtig ist, aber wenigstens bin ich nicht so feige wie du!« Das hatte gesessen, Steve starrte ihn nur stumm an, sein Mund weit geöffnet, aber nicht den Hauch einer Ahnung, was er sagen könnte. Entweder er befürchtete noch eine Backpfeife abzubekommen, oder Daniel traf mitten ins Schwarze. Ich hasste nichts mehr, als dass sich die beiden stritten, irgendwann würde dies dafür sorgen, dass uns der Kontakt verboten werden würde. Mein Bruder sah mich nur an und schon wusste ich, dass er nach Hause wollte. Eigentlich brauchte er nie etwas sagen, man konnte es mit einer Seelenverwandtschaft vergleichen, den so in der Art war es wohl auch. Jeder von uns kannte die Gedanken des anderen, ohne, dass wir sie ansprechen mussten. Nur was noch hinter seiner Fassade steckte, das ahnte ich nicht im geringsten.

Daniel wandte sich von Steve ab und legte abrupt seinen Arm um meine Schulter. Augenblicklich drückte er mich an seine Seite, während er mir sanft einen Kuss auf die Stirn hauchte.
»Denk an meine Worte, Dan«, ermahnte Rio ihn. Scheinbar wusste er bereits um Daniels Gefühlslage. Mir war bewusst, dass ich die letzte Person sein würde, die jemals davon erfahren sollte, dennoch hätte ich es längst merken müssen. Nie hatte er sein eigenes Leben geführt, seit Mutters Tod war er vollkommen für mich da. Er brach seine Schullaufbahn ab, nur um in Vaters Firma zu arbeiten, schränkte seine Freizeit auf ein Minimum, damit er zu jeder Zeit für mich da sein konnte. Selbst unser Freundeskreis wuchs zu einem zusammen. Damals machten wir wenig gemeinsam. Meist hing ich mit Ashley rum, während er seine Zeit mit den Jungs verbrachte. Schnell erhob er seine Hand, aus Wut war ihm die Lust zum Reden vergangen. Sein Griff festigte sich und langsam drückte er mich zur Haustür voran.
»Es tut mir Leid, Rica«, wisperte er, während sich sein Kopf an den meinen lehnte. »Ich wollte niemals, dass es so ausgesprochen wird.«
»Schon gut, es ist in Ordnung. Ich nehme es dir nicht übel«, wisperte ich ihm entgegen. Die ganze Situation war mir gerade zu viel, ich wusste nicht, was ich genau denken sollte, was der Wahrheit entsprach und was einfach nur gesagt wurde, um die Zeit zu vertreiben.
»Lass uns einfach rein gehen und unseren Rausch ausschlafen.« Eigentlich war diese Anmerkung unsinnig, doch wollte ich nicht, dass er meine Unsicherheit bemerkte. Daniel fand immer die richtigen Worte, doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich es einfach nicht besser. Er drückte seine Hand zu und hauchte mir zeitgleich einen sanften Kuss auf die Stirn. Schwanken schritten wir den kleinen gepflasterten Weg vom Bordstein bis zu Haustüre. Leise kicherte ich, als wir ankamen, und Daniel durch das Anhalten drohte nach vornüber zu kippen. Schützend stellte ich mich vor den größeren und legte meine Hand auf seinen Brustkorb. Sofort senkte er sein Gesicht und versuchte meinen Blicken auszuweichen. Unbeholfen hob er seine Hand und versuchte dabei seine Hosentasche zu erwischen. 

»Warte, ich helf dir«, hauchte ich, während meine Hand ohne Nachdenken in seine rechte Tasche fuhr, um den Schlüssel rauszuholen. Unvorhergesehen umfasste er meine freie Hand und presste mich Daniel im selben Moment gegen die Türe. Sein warmer Atem drang in mein Gesicht und raubte mir einen Moment den Atem, während er leise ‚verzeih‘ hauchte. Schon lagen seine sanften Lippen erneut auf meinen. Dieses Mal jedoch nicht so vorsichtig wie vorher, sondern verlangend und hungrig auf mehr. Vollkommen überrumpelt sah ich ihn an, als sich seine freie Hand in meinen Schritt drängte und mir so ein leises Stöhnen entlockte. Unverzüglich fand seine Zunge leidenschaftlich zu meiner und neckte diese liebevoll.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen